Das Hexenkreuz
Hof behaupten können. Allerdings macht mir dein Mangel an Putzsucht zu
schaffen.“
„Bitte?“
„Du bist
wirklich sehr schön, dabei scheinst du dir nicht das Geringste aus deinem
Aussehen zu machen. Du solltest öfters einen Spiegel konsultieren und prüfen,
ob deine Frisur sitzt und du musst unbedingt mehr Zeit auf die Pflege deiner
Hände verwenden.“
Emilia
versteckte ihre Hände sofort hinter dem Rücken und bedachte Filomena mit einem
giftigen Blick. In der Tat wiesen ihre Nägel noch Spuren des Huffetts auf, mit
denen sie ihre Stute nach dem heutigen Ausritt bearbeitet hatte. Die restliche
Nacht lernten sie französische Etikette. Emilias gutes Gedächtnis und ihre rasche
Auffassungsgabe halfen ihr dabei.
„Diese
Kenntnisse werden dir Vorort von Nutzen sein“, meinte Filomena im Morgengrauen,
als sich bei Emilia erste Ermüdungserscheinungen zeigten. Sie selbst gähnte und
streckte sich ausführlich.
„Vor allem,
wenn ich meine Flucht plane…“, entgegnete Emilia vorsichtig. Sie schnitt das
heikle Thema bewusst an. Filomena musste klar sein, dass sie jede sich bietende
Chance während der Reise ergreifen musste. Filomena würde so oder so allein in
Sulmona zurückbleiben.
„Genau darüber
wollte ich auch mit dir reden“, erwiderte Filomena, als hätte sie auf das
Stichwort gewartet. „Während der Reise wird eine Flucht so gut wie unmöglich
sein. Mutter hat Graziano aus Pescara hierher beordert. Inzwischen müsste er
eingetroffen sein.“
„Wer zum
Teufel ist Graziano?“, entfuhr es Emilia verblüfft.
„Mutters
Statthalter in Pescara und ihr schärfster Bluthund. Lass dich durch seine
hübsche Larve nicht täuschen. Er ist grausamer als jede Höllenbestie und dabei
schlau wie ein Fuchs. Hauptmann Graziano wird den Befehl über deine Eskorte
übernehmen. Er ist Mutter absolut treu ergeben, außerdem haftet er mit seinem
Leben für dich. Solange er die Hand über dich hält, kannst du eine Flucht
getrost vergessen. Du musst unbedingt versuchen, dir in Frankreich Verbündete
zu schaffen. Am einfachsten wäre es, du gibst dich dem alten König hin. Er ist
womöglich der Einzige, der Mutter Paroli bieten kann, wenn er uns nicht vorher
wegstirbt. Er ist schon in seinen Sechzigern. Eine Madame du Barry soll den Platz
der Marquise eingenommen haben. Sie soll aber ziemlich einfältig sein,
behauptet Mutter. Du müsstest leichtes Spiel haben, sie von ihrem Platz oder
vielmehr aus seinem Bett zu verdrängen.“
„Filomena!
Wie redest du denn?“ Emilia staunte immer wieder, wie leicht Filomena die
frivolsten Dinge über die Lippen kamen.
„Was willst
du?“ Filomena zuckte mit den Schultern. „Wenn du als Frau etwas im Leben
erreichen willst, darfst du nicht zimperlich bei der Auswahl deiner Methoden
sein. Die einzige Waffe, die uns zur Verfügung steht, ist Schönheit, und die
ist vergänglich. Wir müssen also vor allem auch unseren Verstand einsetzen.
Außerdem ist Prüderie das Letzte, was man in Mutters Umfeld erwarten darf. Das
müsstest du inzwischen gelernt haben. Ich habe hier zu viel gesehen und wurde
zu lange von ihr eingesperrt, um mir nicht das zu nehmen, was ich haben will -
wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.“
„Wie darf
ich das jetzt verstehen?“, fragte Emilia, deren Interesse geweckt war. Filomena
saß neben ihr im Bett und Emilia betrachtete ihr feines Profil, dessen Harmonie
allein durch die leicht aufwärts gebogene Nase gestört wurde.
„Dass ich
durchaus meine Erfahrungen in der Liebe sammeln konnte. Es macht Spaß, wenn man
erst einmal auf den Geschmack gekommen ist, weißt du?“ Sie leckte sich
aufreizend über die Lippen. „Da wir schon beim Thema sind… Es gibt einen
weiteren Grund, warum Mutter dich ohne weiteres nach Paris fahren lässt. Du
bist leider in der Hochzeitsnacht nicht schwanger geworden.“
„Ein Kind?
Wie soll das möglich sein? Nach einer einzigen Nacht?“
„Meine Güte,
du bist vielleicht ein Schaf“, erwiderte Filomena uncharmant. „Wo hast du
bisher gelebt? Dazu braucht es weniger als zwei Minuten. Heerscharen von Mägden
können davon Zeugnis ablegen – sofern sie das Pech hatten, die Aufmerksamkeit
ihrer Herrschaft zu erregen. Wie auch immer, Carlo wird seine ehelichen Rechte
einfordern. Wie du bereits erfahren durftest, ist er den fleischlichen Genüssen
sehr zugetan und recht fordernd in seinen Begierden. Mach dich also auf mehr
als nur auf die Missionarsstellung gefasst. Möchtest du vielleicht das hier
mitnehmen?“
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