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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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würde sich sicher nicht mit dem
Bischof entzweien wollen, der hier in Sulmona sehr viel Rückhalt im Volk fand.
Zum ersten Mal reifte in Emilia der Gedanke heran, sich in ihm einen
Verbündeten zu schaffen. Tatsächlich, sie seufzte kaum hörbar, bedeutete dies,
dass sie fromm werden musste …
    Natürlich
glaubte Emilia an Gott und die christlichen Lehren. Doch ihr Innerstes hatte
sich nie so sehr dem wahrhaften Glauben erschlossen wie dies bei Emanuele der
Fall gewesen war. Durch den Steinkreis hatte sie erfahren, dass weit ältere
Kräfte auf Erden existierten als jene der Kirche. Auch hatte sie als Kind die
täglichen Kirchenbesuche als Tortur empfunden. Sie liebte Lärm und Bewegung,
die Natur und frische Luft. Die Kirche aber setzte sie gleich mit Stille und
Stillstand, sie roch nach totem Stein und alten Gräbern. Sie widmete sich
wieder Emanueles Brief und las ihn zu Ende. Ihr Bruder versicherte ihr darin,
dass er ihr von nun an so oft wie möglich schreiben würde, unterließ es jedoch nicht,
sie an die vielfältigen Pflichten und Aufgaben einer guten Ehefrau zu gemahnen.
Ohne Zweifel schrieb er dies nur, um Beatrice über seine Absichten zu
beruhigen. Es folgten noch einige höfliche Floskeln, weitere brüderliche
Ermahnungen, das Übliche ... Tatsächlich bildeten alle diese Worte nur den
Rahmen für die eigentliche Botschaft: Emanuele würde kommen und ihren Vater
mitbringen. Dieser Besuch würde ihre Flucht einleiten, dessen war sie sich
sicher. Emanuele musste fühlen, dass sie sich wie ein eingesperrtes Tier
vorkam. Niemals würde er sie im Stich lassen. Emilia hatte sich so sehr ihren
Gedanken und den frisch genährten Hoffnungen hingegeben, dass sie fast
erschrak, als Beatrice sagte: „Ich sehe, dass der Brief tiefe Befriedigung in
Euch hervorruft, meine Liebe.“
    Die Anwesenheit
ihrer Schwiegermutter hatte Emilia kurzzeitig völlig verdrängt. Beatrice
betrachtete sie wie eine Katze, die eine besonders fette Maus im Visier hatte.
    „Ach,
wundert Euch das?“, entgegnete Emilia frostig. „Ihr scheint vergessen zu haben,
dass ich mich seit Wochen über das Schicksal meines Bruders beunruhigt habe.
Ihr hattet es ja vorgezogen, mich darüber im Ungewissen zu lassen, um mich umso
besser erpressen zu können.“
    „Meine Güte,
warum denn gleich wieder so gallig. Es steht Euch nicht. Ihr habt doch nun
Euren kostbaren Brief.“
    „Ja, aber
erst, nachdem Ihr ihn gelesen habt. Ich verbiete Euch zukünftig meine
privaten Briefe zu lesen, hört Ihr!“, herrschte Emilia sie an. Viel hätte nicht
gefehlt, und sie hätte - wie in alten Zeiten - wütend mit dem Fuß aufgestampft.
Beatrice pickte in aller Seelenruhe eine besonders schöne Kirsche aus der
Schale. Sie musterte die pralle Frucht mit derselben Intensität, die man einem
kostbaren Gemälde zugestand. Dann verschwand sie zwischen ihren vollen Lippen.
Sie kaute genüsslich, spuckte den Kern vornehm in eine Serviette und erhob
sich. „Verbietet nur mein Kind, verbietet“, sagte sie im gelangweilten
Plauderton. „Es wird Euch nur nichts nützen. Dies ist mein Haus und ich tue,
was mir beliebt. Begreift das endlich. Im Übrigen freue ich mich darauf, Eure
Familie und im Besonderen Euren schönen Zwillingsbruder wiederzusehen. Teilt
ihm das gerne mit. Und schreibt ihm auch, dass er keinesfalls versäumen darf,
den jungen Colonna mitzubringen! Das stelle ich mir vergnüglich vor, wir alle
miteinander an einer Tafel vereint. Findet Ihr nicht auch?“
    Sie kniff
Emilia in die Wange und schritt dann mit raschelnden Röcken zur Tür. „ Ach, beinahe hätte ich es vergessen.“ Beatrice drehte sich an
der Tür nochmals um. Ein boshaftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Emilia
schwante sofort eine weitere Gemeinheit. Tatsächlich sagte ihre
Schwiegermutter: „Wenn ich Euch wäre, meine Liebe, würde ich nicht allzu viel
auf die Loyalität meiner Tochter geben. Sie ist stets äußerst wankelmütig in
ihren Gunstbezeigungen. Wer glaubt Ihr wohl, hat mir von Eurer geplanten Flucht
am Tage Eurer Hochzeit berichtet?“ Flink schloss sie die Tür hinter sich und
ließ Emilia mit der Ungeheuerlichkeit dieser infamen Behauptung zurück.
    Erst jetzt
bemerkte sie, dass sie Emanueles Brief zwischen ihren Händen zerknüllt hatte -
als armseligen Ersatz für Beatrices Hals.
     
    Emilia blieb keine Zeit, um über Beatrices gemeine
Anschuldigung nachzugrübeln, schon steckte Filomena ihre vorwitzige Nasenspitze
wieder herein. „Puh, Gott sei gedankt. Sie ist weg“,

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