Das Hexenkreuz
Düfte
entströmten. Emilia hatte in Paris den Luxus für sich entdeckt, ausgiebig im
Bett zu frühstücken. Kaum aber hatte Rosa das Tablett vor ihr abgestellt, als Emilia
gefährlich grün im Gesicht anlief. Sie sprang auf und stürzte in das
angrenzende Waschkabinett. Dabei stieß sie das Tablett um, das sich mit all
seinen festen und flüssigen Köstlichkeiten auf die seidene Bettdecke ergoss.
Rosa, kurz
hin- und hergerissen zwischen der Bescherung auf dem Bett und der Sorge um
Emilia, eilte ihr hinterher. Minutenlang würgte sich die junge Frau die Seele
aus dem Leib. Rosa feuchtete ein Tuch mit kaltem Wasser an und rieb ihr damit
sanft über Mund und Gesicht. „Mein armes Lämmchen, mein Kindchen, es ist ja
schon gut, es ist ja nichts“, murmelte sie in ihrem gewohnten Singsang.
Emilia fand
gar nichts gut und noch weniger, dass es nichts war. Sie fühlte sich sterbeelend.
Ausgerechnet ihr widerfuhr dies, die sich stets einer prachtvollen Gesundheit
erfreut hatte. Eine neuerliche Welle der Übelkeit stieg in ihr auf und die
nächsten Minuten dachte sie an gar nichts mehr. Emilias Magen schien sich nach
außen stülpen zu wollen, bis auch Rosa einsah, dass dies über das übliche Maß hinausging.
In diesem Augenblick erschien Filomena. Interessiert verfolgte sie eine Weile
das sich ihr bietende Schauspiel. „Ach? Ist es schon soweit?“, meinte sie
gedehnt und biss genüsslich in einen Apfel, den sie sich aus der Schale
stibitzt hatte.
„Los, steht
hier nicht herum und haltet Maulaffenfeil“, rief Rosa ihr ungewohnt energisch
zu. „Holt Eure Mutter hierher!“
Beatrice
betrat kurz darauf das Badekabinett. Ein Blick auf Emilia genügte, und sie
machte ohne ein Wort kehrt. Nicht lange und sie kam mit einem Flakon zurück,
der eine klare Flüssigkeit enthielt. Sie kniete sich neben Emilia und sagte:
„Trinkt das, es wird Eure Beschwerden lindern.“ Gemeinsam mit Rosa, die Emilias
Kopf hielt, setzte sie den Trank an ihre Lippen. Emilia war längst zu erschöpft,
um Widerstand zu leisten. Tatsächlich half der Trank und die Übelkeit ließ
nach. Sie wurde in ihr Bett getragen, das die Mägde zuvor gesäubert hatten.
Stöhnend ließ Emilia alles mit sich geschehen. Ihr gesamter Körper schmerzte,
als hätte man sie geschlagen und ihre Kehle brannte, als bestünde sie aus
flüssigem Feuer. „Wasser“, flüsterte sie heiser.
Rosa beeilte
sich ihrer Aufforderung nachzukommen. „Schlaft jetzt, mein Lämmchen“, sagte
Rosa so leise, dass die Herzoginmutter es nicht hören konnte. Zärtlich strich
sie ihrem Schützling mit der Hand eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
Emilia öffnete noch einmal ihre Lider, um Rosas Fürsorge mit einem gehauchten
Danke zu belohnen. Doch ihre Zofe hatte sich vom Bett entfernt. An ihre Stelle
war Beatrice getreten. Das letzte, das Emilia daher sah, war deren Gesicht, das
sich mit einem seltsam befriedigten Lächeln über sie beugte. Das sieht ihr
ähnlich , dachte Emilia schläfrig. Sie erfreut sich an meinem Leiden…
Als sie am nächsten Morgen ihre Augen öffnete, fand sie Filomena
an ihrem Bett. „Tja, meine Liebe! Der Natur entkommt man nicht“, bemerkte sie nüchtern.
Emilia
setzte sich auf. Ihr war schon wieder übel. Sie verabscheute das Kind schon
jetzt, da es ihr diesen grässlichen Zustand aufzwang. Die nächsten Wochen
gestalteten sich zu einer wahren Tortur. Immer wieder wurde sie von Brechreiz
übermannt und ihr Magen entledigte sich des Wenigen, das man ihr zuvor mühsam
eingeflößt hatte. Dazu kam die unerträgliche Hitze des zu Ende gehenden Sommers,
die selbst die dicksten Mauern des Palazzos durchdrang. Alles Leben
verlangsamte sich und kam während des Tages fast vollständig zum Erliegen.
Emilia
verbrachte die meiste Zeit in ihrem Bett, bei geschlossenen Läden und nur mit
einem leichten Laken bedeckt. Sie dämmerte vor sich hin, immer in der
Erwartung, dass die nächste Welle der Übelkeit über sie hereinbrechen würde.
Tatsächlich verschafften ihr die von Beatrice verabreichten Tränke immer nur
für kurze Zeit Linderung. Emilias Zustand verschlechterte sich von Woche zu
Woche. Dunkle Ringe bildeten sich unter ihren Augen, die allen Glanz verloren
hatten und ihre Haut nahm einen wächsernen Ton an. Bald zeigte sich selbst
Beatrice besorgt, dass sie das Kind verlieren könnte.
Eines
Abends, Emilia dämmerte am Rande der Schwerelosigkeit dahin, glaubte sie zwei
Stimmen an ihrem Bett unterscheiden zu können. „Wie lange geht das schon
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