Das Hexenkreuz
so?“,
erkundigte sich eine gedämpfte männliche Stimme, in die sich Unmut und Sorge
gleichermaßen mischten.
„Seit ihrer
Rückkehr.“
„Du kannst
wirklich nichts tun, um ihren Zustand zu verbessern?“
„Nein, ich
sagte doch, dass ich bereits alles in meiner Macht stehende versucht habe“,
entgegnete die weibliche Stimme in gereiztem Ton. „Wie du dich sicher
erinnerst, sind meine besten Kräuter aus China und dem Orient bei der Explosion
des Laboratoriums verbrannt. Ich konnte mir noch keinen Ersatz beschaffen. Aber
ich erwarte das Eintreffen der neuen Lieferung jeden Tag.“
„Also
versagen hier sogar deine Künste!“ Der Mann sagte dies nicht ohne Genugtuung.
„Du hast
Recht…“, stimmte die Frau ihm völlig überraschend zu. „Die Kräfte der Natur
sind grenzenlos. Deine kleine Gattin befindet sich inmitten eines Kampfes gegen
die Natur ihrer Weiblichkeit. Vergiss nicht, sie ist ein absolutes Geschöpf der
Freiheit. Ein Kind bedeutet für sie Bindung und Einschränkung. Sie will dieses
Kind nicht. Ihr Geist betrachtet es als seinen Feind und bringt den Körper
dazu, sich dagegen zu wehren. Wir können nur abwarten, wer am Ende diesen Kampf
für sich entscheiden wird: Die Mutter oder das Kind.
„Du bist dir
wegen des Kindes sicher? Ich finde nicht, dass man ihr etwas davon ansieht.“
Der Herzog mochte kaum glauben, dass es sich bei diesem bleichen, abgezehrten
Geschöpf um dasselbe strahlend schöne Mädchen handelte, das unter den
Kronleuchtern von Versailles die Augen eines verwöhnten und gesättigten Hofes
samt seines Souveräns auf sich gelenkt hatte.
„Natürlich
bin ich mir sicher“, erwiderte die Frau trocken. „Sorge dich nicht. Das Mädchen
ist robust wie eine Landstreicherin und dieser Zustand wird nicht ewig währen.
Bald wird sie das Schlimmste überstanden haben und wieder frisch wie ein Fisch
im Wasser umherspringen.“
„Ich hoffe
sehr, dass du Recht behältst, Mutter“, sagte der Herzog mit einem letzten Blick
auf Emilia.
„Ihr gebt
gut auf sie acht, hört Ihr?“, ermahnte der Herzog Rosa, die in respektvoller
Entfernung verharrte.
Beatrice
behielt Recht. Nach einer weiteren Woche verschwand der Spuk ebenso schnell,
wie er über Emilia hereingebrochen war. Sie war so hungrig, dass sie den
Gedanken an das Kind, das sie trug, zunächst erfolgreich aus ihren Gedanken
verdrängte. Bereits am dritten Tag konnte Emilia das Bett für kurze Zeit
verlassen und ihr Mahl am kalten Kamin zu sich nehmen.
Der Herzog
war bereits vor Emilias Genesung erneut aufgebrochen, um seine Interessen in
Rom voranzutreiben , wie Filomena es formulierte. Die Reise nach Paris hatte
sich letztendlich doch als erfolgreich erwiesen, wie Filomena ihr ebenfalls
berichten konnte. Der Herzog von Pescara hielt nun ein mit allen Siegeln des
französischen Reichs und dessen Souverän, König Ludwig XV., versehenes Dokument
in Händen, welches ihn als legitimen Urenkel seines Urgroßvaters, des großen
Sonnenkönigs, auswies. Insgesamt zwanzig Millionen Livres hatten dabei den
Besitzer gewechselt und Eingang in die französische Staatsschatulle gefunden.
Wie viel an Provisionen hierfür an den nimmersatten Choiseul und andere
Hofbeamte geflossen waren, wusste Filomena nicht zu beziffern. Jedoch wusste
sie zu berichten, dass an dieses Dokument eine besondere Bedingung geknüpft war,
die weniger auf Ludwig XV. als auf den Außenminister Choiseul zurückzuführen
war, der sich hier durchgesetzt hatte: Es würde erst in Kraft treten, wenn
Beatrice von Pescara ihrerseits die versprochene Gegenleistung erbracht hatte.
„Welche
Gegenleistung?“, fragte Emilia verwundert, während sie den Löffel weglegte. Die
Suppenterrine war leergefegt wie ein Strand bei Ebbe und sie verspürte immer
noch Hunger. Sie tat sich deshalb an dem ofenwarmen Weißbrot gütlich, das die Brühe
begleitet hatte.
„Meiner
Treu, ich dachte das Kind hat nur deinen Magen entleert und nicht auch dein
Gehirn“, erwiderte Filomena in ihrer respektlosen Art. „Hast du das große Ziel
der Hexe schon wieder vergessen? Das endgültige Verbot des Jesuitenordens durch
den Papst?“
„Tut mir
aufrichtig leid, Mutter Oberin, aber für politische Intrigen habe ich in meinem
Kopf nur den allerletzten Winkel reserviert. Außerdem dachte ich, das große
Ziel Beatrices wäre es, eines Tages ihrem Sohn die Krone Italiens
aufzusetzen?“, erwiderte Emilia kurz angebunden. Sie war völlig darauf
konzentriert, das Brot zu zerpflücken und schob
Weitere Kostenlose Bücher