Das Hexenkreuz
brauen, den
sie Ludovico sodann stündlich einflösste.
Am Abend
lebte der Kleine immer noch und das Fieber schien tatsächlich ein wenig
gesunken zu sein. Das erste Mal seit Tagen schlief Ludovico die ganze Nacht
hindurch, ohne sich zu übergeben oder von Krämpfen geschüttelt zu werden.
Gemeinsam
mit dem Trank für Ludovico hatte Signora Elvira noch einen zweiten bereitet. Serafina,
die bereits die Zubereitung des ersten genau studiert hatte, erkundigte sich
interessiert: „Wofür ist der, Mutter?“
„Für euch
beide. Mir scheint, auch ihr seid am Ende eurer Kräfte angelangt. Ein wenig
Schlaf wird euch gut tun.“ Serafina und Emilia setzten gleichzeitig zum Protest
an, doch gegen Signora Elviras energische Autorität kamen sie nicht an. Folgsam
tranken sie den heißen Absud. Tatsächlich bescherte er ihnen zum ersten Mal
seit Ludovicos Erkrankung mehrere Stunden gesunden Schlafs. Als sie danach
erfrischt zurückkehrten, erinnerte sich Emilia Sergejs: „Wo ist eigentlich der
Fürst Wukolny abgeblieben? Ich konnte ihm noch gar nicht für seine Hilfe
danken. Er wird schön von mir denken.“
„Der Fürst
ist schon lange gegangen, mein Liebes. Sobald er sich davon überzeugt hatte,
dass der Kleine nach dem Trank eingeschlafen war, hat er sich zurückgezogen. Er
bat mich, dir auszurichten, dass er dir morgen gegen Nachmittag seine
Aufwartung machen wird. Ein interessanter Mann, dieser Fürst. Und sehr verliebt
in dich.“
Emilia
entging der prüfende Blick, den ihr Elvira unter ihren Wimpern zuwarf, da sie
sich eben über Ludovicos Bett beugte und sich an seinem Schlaf ergötzte. Sie
fand ihn schon weniger rot, sein Atem ging gleichmäßig. Glücklich nahm sie
seine kleine feuchte Hand in die ihre.
Serafina
hingegen wunderte sich über die Bemerkung ihrer Mutter. Sie hatte gewiss viele
Eigenschaften, sowohl bürgerliche wie unbürgerliche, doch soweit sie wusste, hatte
sie sich bisher noch nie als Kupplerin betätigt.
Ob Donna Elvira
den Anstoß dazu gegeben oder gar etwas nachgeholfen hatte, wusste Serafina
nicht genau zu sagen. Aber Emilia und Sergej heirateten drei Monate später, an
einem wunderschönen Maitag in der Hauskapelle des Fürsten Colonna. Emilia hatte
sich eine kleine Hochzeit gewünscht. So wohnten der Zeremonie außer dem
Gastgeberpaar Colonna nur ihr Bruder Emanuele, Serafina, ihre Mutter Elvira,
Vittoria, Filomena und natürlich die beiden Kinder des Paares bei. An der Hand
der knapp vierjährigen Sascha stolperte ihr kleiner Stiefbruder auf kurzen
dicken Beinchen dahin. Sie hielt ihn ganz fest an ihrer Hand.
Ludovico war
wieder ganz der Alte. Er hatte sich gut erholt und sein gesunder Appetit hatte
ihm längst wieder seine properen Rundungen beschert. Sascha selbst sah in ihrem
weißen Satinkleid, das der Schneider auf Emilias Wunsch hin ihrer Hochzeitsrobe
nachempfunden hatte, wunderschön aus. Elvira hatte sich ihrer nicht sehr
ausgeprägten Pockennarben angenommen und es fertiggebracht, diese mit
speziellen Kräuterpasten zu mildern. Die beiden Kinder liefen vor dem Brautpaar
her und streuten mit dem Eifer ihrer Jahre Blütenblätter. Ihre Kinderaugen
leuchteten vor Glück.
Auch aus
Emilias Augen sprach das Glück. Sie heiratete Sergej keinesfalls aus
Dankbarkeit. Nein, Sergej war ein besonderer Mann, wie es in dieser Zeit nur
wenige gab. Natürlich betete er sie an, doch vor allem achtete er sie als Frau
und behandelte sie als gleichwertigen Partner. Wie sollte man einen Mann wie
Sergej nicht lieben? Auch Ludovico konnte sich keinen besseren Vater wünschen
und sie sich keine bessere Tochter wie die kleine Sascha, die sie inzwischen
Mamutschka nannte. Trotzdem würde sie Francesco nie vergessen. Die Erinnerung
an ihn trug sie weiter tief in ihrem Herzen. Doch Sergej hatte sich seinen Teil
davon erobert und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als diesen Mann
glücklich zu machen. Schließlich, hatte nicht Francesco selbst ihr Sergej
zugeführt, in genau jener Absicht? Hatte er geahnt, dass er sterben würde und
sie in den Händen eines guten Mannes zurücklassen wollen? Emilia lächelte. Am
Arm ihres künftigen Gemahls näherte sie sich dem Altar, wo ihr Bruder Emanuele
stand. Er würde die Trauung vollziehen. Auch er lächelte, als hätte er, wie so
oft, die Gedanken seiner Schwester gelesen. Schon am nächsten Morgen würden sie
alle gemeinsam die Reise nach Santo Stefano di Sessanio antreten, um dort mit
ihrem Vater Abelardo und dem gesamten Dorf ein großes Fest zu feiern.
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