Das Hexenkreuz
Außer
ihrer Hochzeit stand auch die Feier zur Beendigung der Bauarbeiten an der alten
Burg der di Stefanos an. Emilia hatte ein Vermögen ausgegeben, um dem Schloss
ihrer Vorfahren den alten Glanz zurück zu geben. Sie hatte Donna Elvira und
ihren Vater beauftragt, die Arbeiten zu überwachen. Emilia fühlte sich heute so
glücklich, dass sie sogar gewillt war, ihrem Bruder Piero zu verzeihen - der im
übrigen mehrmals bei ihr in Rom erschienen war und sie um Geld angebettelt hatte.
Sie war standhaft geblieben. Wenn er Geld brauchte, musste er dafür arbeiten!
Sie hatte ihm eine Stellung in ihrer Manufaktur in Venedig verschafft. Wie sie
gehört hatte, sollte er sich gar nicht einmal so schlecht anstellen.
Ihre morgige
Reise nach Santo Stefano würde bei gutem Wetter keine Woche beanspruchen. Wegen
der Kinder reisten sie in der Kutsche. Sergej bevorzugte das Pferd. Lediglich
Emanuele konnte sie zu aller Bedauern nicht begleiten. Der Pater General Ricci
konnte ihn in diesen schweren Zeiten nicht entbehren - der Orden verlor weiter
an Macht und Boden.
Trotz
Emanueles Sorgen, die sich auf sie übertrugen, freute sich Emilia, ihre alte
Heimat wiederzusehen. Sie brannte darauf, Sergej und Ludovico die Stätten ihrer
Kindheit zu zeigen. Wie es aussah, freute sich auch Santo Stefano sie
wiederzusehen, denn das ganze Dorf schien auf den Beinen und hatte für sie sein
Festtagsgewand angelegt. Kein Fenster, in dem nicht Fahnen, Banner oder bunte
Tücher geschwenkt wurden, und alle Häuser zierten frische Blumengirlanden. Die
Frauen und Mädchen des Dorfes führten stolz ihre neuen Kleider und Hauben vor, aus
den feinen Tuchen gefertigt, die Emilia in großzügigen Mengen nach Santo
Stefano hatte senden lassen.
Der Pfarrer
zog ihrer Kutsche in der letzten Kurve in einer feierlichen Prozession
entgegen. Emilias Geldsegen hatte auf Anraten Elviras nicht vor der Kirche Halt
gemacht. Donna Elvira trat neben Emilia, die die Kutsche verlassen hatte und
mit den Kindern an den Händen die Ankunft des Pfarrers erwartete.
„Seht euch
den an! So weit hat er sich noch nie in meine Nähe gewagt“, raunte Elvira in
Emilias Ohr. „Offensichtlich übertüncht der Geruch des Goldes sogar jenen des
Schwefels…“
Der Pfarrer
hatte nun die beiden Frauen erreicht. Er übersah Donna Elviras liebenswürdiges
Lächeln und wandte sich ausschließlich an Emilia. „Verehrte Fürstin! Im Namen
des gesamten Dorfes darf ich Euch in Eurer Heimat auf das Herzlichste
willkommen heißen. Eure guten Taten eilen Euch voraus und wir können Euch gar
nicht genug dafür ...“
„Ja, ja, ist
schon gut, Herr Pfarrer. Ihr hattet Euren Auftritt. Nun lasst auch mich mal
ran“, fiel ihm eine dröhnende Stimme ins Wort und schob den Armen ohne
Umschweife beiseite. Schon lag Emilia an der breiten Brust ihres Vaters. Die
beiden umarmten und küssten sich stürmisch unter den beleidigten Blicken des
zur Seite gedrängten Priesters. Dann gewahrte der alte Conte den kräftigen
kleinen Jungen neben seiner Tochter, der ihn mit staunenden Augen betrachtete.
Mit einem beinahe zaghaften Lächeln, als könnte er es kaum glauben, fragte er:
„Ist das… ähm, mein Enkelsohn? Sapperlot, was für ein strammer Bursche er doch
geworden ist!“
Emilia nahm
Ludovico von hinten bei den Schultern und sagte zu ihm: “Begrüße deinen Herrn
Großvater, Ludovico.“ Ludovico, eingeschüchtert von dem enormen Schnurrbart,
der die Wangen seines Großvaters zierte, verbeugte sich wie ein vollendeter
Kavalier.
„Ach, komm
schon her, mein Junge.“ Er wurde aufgehoben und ebenso geherzt und geküsst wie
seine Mutter. Mit der kleinen Sascha verfuhr der Graf ebenso, bis das Mädchen
nur noch kicherte. Emilias Vater hatte zu seiner alten Herzlichkeit
zurückgefunden und steckte alle damit an. Sergej trat nun selbst lächelnd vor.
Emilia stellte ihrem Vater nun ihren Mann vor. „Meiner Treu, was für ein Bär
von einem Mann“, rief er entwaffnend. Dann umarmte er auch Sergej, und da er
klein und rund war, rieb er seine Wange an Sergejs Bauch.
Sodann
erlebte Santo Stefano das schönste, üppigste und fröhlichste Fest in seiner
gesamten Geschichte. Im Schlosshof hatte man ausreichend Bänke und Tische
aufgestellt und ganze Ochsen und Lämmer brieten am Spieß. Den ganzen Tag und
die ganze Nacht wurde geschmaust und getrunken, gelärmt und gefeiert, Lieder
gesungen und getanzt. Alle beglückwünschten sich zu ihrer Herrschaft und
erfreuten sich an ihrem Glück. Dass Emilia und ihr
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