Das Hexenkreuz
entschlossenen Mienen. Sie ritten
kräftige Pferde und Emilia entdeckte zu ihrer Erleichterung, dass ein
zusätzliches Packpferd neben Proviant auch mehrere Schneeschaufeln trug.
Mit einem
Nicken nahm der russische Fürst Serafinas Zeilen entgegen. Emilia wollte ihn
nochmals sein verrücktes Vorhaben ausreden, da er dabei sein Leben riskierte.
Doch Sergej schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab: „Beruhigt Euch, mein
Täubchen. Vertraut mir. Ihr wisst, dass Euch mein Herz gehört und ich mein
Leben für Euch und Euren Sohn geben würde. Erwartet mich in spätestens in acht
Tagen zurück. Und Ihr, Dame Serafina, kümmert Euch um die beiden. Ich verlasse
mich auf Euch“, ermahnte er sie. Dann drückte er einen letzten innigen Kuss auf
Emilias Hände und entfloh, da er die Tränen in ihren Augen nicht länger
ertragen konnte.
Lange sah
ihm Emilia nach. Selbst als die Reiter längst nicht mehr zu sehen waren, konnte
sie sich nicht vom Fenster lösen. Ihre Augen suchten in der Ferne Himmel und
Wolken zu durchdringen, dort wo sie ihre Heimat wusste und ihre Hoffnung lag.
Serafina legte ihr den Arm um die Schultern und Emilia lehnte sich einen
Augenblick an sie. Dann kehrte sie an die Seite ihres Sohnes zurück.
Tage des
bangen Wartens folgten, Tage in denen Serafina um das Leben von Ludovico
kämpfte. Das Fieber wollte einfach nicht weichen. Ludovico, von Fieberkrämpfen
geschüttelt, wimmerte vor Schmerzen. Seine Zunge hatte sich tiefrot gefärbt und
ähnelte inzwischen frappierend einer Erdbeere.
Emilia
vertraute auf die Künste Serafinas. Sie hatte jeglichen ärztlichen Beistand
verweigert, nachdem der vom alten Fürsten Colonna in guter Absicht gesandte
Arzt nichts Besseres zu tun wusste, als den Kleinen zur Ader zu lassen. Mit
einem Aufschrei hatte sich Emilia auf den Mann gestürzt und ihm das Skalpell,
dass ihr von zweifelhafter Sauberkeit erschien, entrissen. Der Zwischenfall
ereignete sich, während Serafina kurz das Haus verlassen hatte, um in der
Apotheke ihren Kräutervorrat aufzufrischen. Zuvor hatte sie Emilia unter
Aufbietung all ihrer Autorität gezwungen, sich für wenigstens eine Stunde
hinzulegen. Antonella, die Amme, hatte Emilia abgelöst und sie über die Ankunft
des Arztes verständigt. Sie wusste, dass ihre Herrin wenig Vertrauen in diesen Berufsstand
hatte.
Der fünfte
Tag seit der Abreise Sergejs verstrich, dann der sechste und der siebte. Am
Morgen des achten Tages hing das Leben Ludovicos nur mehr an einem seidenen
Faden. Der Kleine kämpfte tapfer dagegen an, doch er wurde beinahe stündlich
schwächer. Emilia hob den schlaffen Körper aus dem Bettchen. Sie barg seinen
heißen Kopf an ihrer Schulter, trug ihn umher und umfing ihn mit dem
verzweifelten Willen, ihm ihre Lebenskraft einzuhauchen. Verzweifelt klammerte
sie sich daran, dass Sergej sein Versprechen halten und rechtzeitig eintreffen würde!
Längst war die Sonne in die Stadt Rom zurückkehrt und der Himmel leuchtete in
einem tiefem Blau.
Serafina
sass blass und erschöpft in einem Sessel. Sie wartete auf Antonella, die
frisches Wasser und Linnen für die fiebersenkenden Umschläge holen gegangen
war. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Antonella schrie ausser Atem: „Er
ist da, sie sind gekommen!“ Schon füllte hinter ihr eine riesige Gestalt den
Türrahmen. Emilia und Serafina stießen einen doppelten Freudenschrei aus.
Sergejs Augen leuchteten aus seinem schmutzigen Gesicht. Er sah aus, als hätte
er sich seit seiner Abreise weder gewaschen noch rasiert. „Habt Ihr die
Kräuter?“, rief Serafina und stürzte ihm mit ausgestreckten Händen entgegen.
„Nein. Ich
habe etwas viel Besseres“, sagte er in munterem Ton und trat beiseite. Erst da
entdeckte Serafina die schlanke Gestalt ihrer Mutter Elvira, die mit ihrem
obligatorischen Weidenkorb von Sergejs breitem Rücken verdeckt worden war. Ihr
von der Last der Verantwortung beschwertes Herz wurde leicht wie eine Feder.
Elvira schob sich flink an Sergej vorbei. Ihr prüfender Blick erfasste Emilia
mit Ludovico in den Armen und den Tränen der Verzweiflung auf den Wangen. Sie
eilte auf die junge Mutter zu. „Ich bin jetzt da. Gebt ihn mir, meine arme
Kleine.“ Elvira legte das halb bewusstlose Kind in sein Bett und untersuchte es
mit raschen, kundigen Handgriffen. „Noch zur rechten Zeit“, sagte sie mit einem
aufmunternden Lächeln zu Emilia. Sie zog aus ihrem Korb einige Beutel, mischte
verschiedene Kräuter und machte sich daran, einen Trank daraus zu
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