Das Hexenkreuz
eindringlich
anzusehen.
„Also gut.
Ihr seid unerbittlich, Fürstin Emilia. Nachdem ich mit Hilfe von Pater Baptista
mein Erinnerungsvermögen wiedererlangt hatte, verblieb ich zunächst auf
Martinique, um die ursprüngliche Aufgabe zu Ende zu führen, derentwegen ich
überhaupt dorthin gereist bin: Nämlich Nachforschungen über die
Handelsgeschäfte des Paters La Valette anzustellen. In Rom ist man der Meinung,
dass er Opfer eines ausgeklügelten Komplotts wurde, die unsere dortige Niederlassung
in den Ruin getrieben und unseren Orden in Misskredit gebracht haben. Das
französische Parlament hat eben jenen Vorfall zum Anlass genommen, um in
Frankreich das Verbot unseres Ordens durch König Ludwig XV. durchzusetzen.“
Francesco hatte gehofft, Emilia mit seinen politisch gefärbten Schilderungen zu
langweilen und sie darüber tatsächlich einschlafen würde. Doch das Gegenteil
war der Fall. Die junge Frau hatte ihm aufmerksam gelauscht: „Und, konntet Ihr
Eure Nachforschungen erfolgreich abschließen?“
„Abschließen,
ja. Jedoch nicht mit dem von Rom gewünschten Ergebnis.“
„Ich
verstehe. Der Pater La Valette hat sich also sein Schicksal selbst
eingebrockt?“
„Ich fürchte
ja.“
„Und warum habt
Ihr danach nicht die nächste Passage nach Rom gebucht und seid heimgekehrt? Was
ist geschehen?“
Etwas an der
Art, wie Emilia die Frage gestellt hatte, riet Francesco zur Vorsicht. Hatte
Emanuele ihr von seiner anschließenden Reise, die ihn von der amerikanischen
Ostküste bis tief hinein in die Wälder Französisch-Kanadas geführt hatte,
erzählt? Innerlich verneinte er die Frage, da er seinen Freund gebeten hatte, seiner
Schwester gegenüber nichts verlautbaren zu lassen. Ahnte sie trotzdem, wie sehr
ihn der Aufenthalt bei den guten Fischersleuten verändert hatte? Noch mehr
hatte sein anschließender Aufenthalt auf dem neuen Kontinent bei ihm bewirkt. Diese
Erfahrung hatte ihn erschüttert: Seit er miterlebt hatte, mit welcher Rohheit
die Europäer das Land der Indianer im Namen des Herrn an sich rafften,
zweifelte er an seiner Berufung. Sie rissen diese einfachen, mit der Natur im
Einklang lebenden Menschen aus ihrem Leben und suchten sie mit billigem Tand
und Alkohol zu verführen; sie betrogen sie ohne Skrupel beim Fellhandel und
verschlissen sie in ihren eigenen, sinnlosen Kriegen. Kriegen, die sie nichts
angingen und bei denen sie nichts gewinnen, aber alles verlieren konnten. Allen
voran die Engländer und die Franzosen. Und es geschah weiter. Ein Teil der
amerikanischen Siedler begann sich für den eigenen Krieg zu rüsten, um sich vom
ungebliebten Mutterland England zu lösen. Wie konnte er den Indianern reinen
Herzens einen Glauben aufzwingen, den sie weder brauchten noch verstanden?
Seine Seele hatte geblutet, weil er diesem armen Volk nicht helfen konnte,
dessen Schicksal seit der Ankunft der Weißen besiegelt schien.
„Ihr
schweigt. Doch Euer Schweigen ist sehr beredt, mein lieber Francesco. Kommt
morgen wieder und erzählt mir den Rest, wenn Ihr wollt. Wenn Ihr jedoch Eure
Geheimnisse lieber für Euch behalten möchtet, so wisst, dass ich nicht in Euch
dringen werde.“
Dies klang
wenig nach der Emilia, die er von früher kannte. Die alte Emilia hätte sich
voller Elan auf ihn gestürzt und ihm in einem Wortgefecht alle Geständnisse zu
entlocken versucht.
„Ihr habt
Euch verändert, Fürstin Emilia“, zollte ihr Francesco ehrlichen Respekt. „Gerne
komme ich morgen wieder. Ruht Euch jetzt aus.“
Am frühen
Abend gesellte sich Donna Elvira zu Emilia. Sie brachte eine Bürste und einen
Spiegel mit. „Du bist schöner denn je, selbst deine lange Krankheit konnte dir
nichts anhaben“, sagte sie, während sie vorsichtig eine lange Strähne
entwirrte.
„Weißt du,
wie oft ich diese Schönheit schon verdammt habe?“, erwiderte Emilia leise.
„Schönheit kann ebenso ein Fluch sein.“ Sie zeigte ihrem Spiegelbild eine
Grimasse und seufzte dann voller Inbrunst: „Ich wünschte, ich wäre ein Mann
oder hässlich.“
„Auch einem
Mann kann die Schönheit zum Verhängnis werden“, erwiderte Elvira.
„Was willst
du damit sagen?“ Emilia ließ ihr ernster Unterton aufhorchen.
„Ahnst du es
nicht?“
„Sprichst du
von Francesco Colonna, den meine frühere Schwiegermutter Beatrice entführt hat?“ Würde sie nun endlich mehr über dieses Drama erfahren? Begierig hatte
sie sich vom Spiegel abgewandt. Doch sie irrte sich. Donna Elviras folgende
Worte lenkten die Unterhaltung
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