Das Hexenkreuz
sollte, dass Ihr ihn in Momenten des Zweifels in seinem Glauben
bestärkt? Wenn Ihr Euch selbst opfern müsstet, um ihm seinen Seelenfrieden zu
schenken?“
Emilia hob
stolz das kleine Kinn: „Ja, selbst dann. Ich sagte Euch schon, dass ich meine
Schönheit als Fluch empfinde. Ich will keinen Mann, der lediglich meinen Körper
begehrt. Ich will, dass er auch mein Herz und meine Seele liebt, so wie Sergej
mich geliebt hat.“ Jäh barg Emilia ihr Gesicht in den Händen. Signora Elvira
legte die Arme um sie und zog sie an ihre Brust.
„Ist ja
schon gut, meine Kleine. Liebe muss großzügig sein. Ich weiß, sie zeigt uns ein
ebenso grausames wie schönes Gesicht. Manches Mal lächelt sie einem zu, ein
anderes Mal macht sie uns vor ihr fürchten.“
„Nein, Ihr
versteht nicht. Ich weine um Sergej. Ich wünschte, ich hätte ihn ebenso sehr
lieben können, wie er mich geliebt hat. Das Furchtbare ist, dass er es stets
gewusst hat. Sergej war ein wunderbarer Mann und er war jede Liebe wert. Jetzt,
da er nicht mehr ist, fühle ich mich vom Schicksal betrogen. Ich hätte ihm so
gerne meine Liebe bewiesen. Erst jetzt weiß ich, dass ich ihn wahrhaft geliebt
habe. Dagegen war die Liebe zu Francesco mehr ein Phantom, das Gespinst eines
jungen Mädchens, das unbedingt genau das haben wollte, was es niemals bekommen
würde.“
Während der folgenden Wochen von Emilias Genesung behielt
Francesco seine beinahe täglichen Besuche im Palazzo Meraviglia bei. Zu Emilias
Verwunderung verzichtete er dabei stets auf seine priesterliche Bekleidung Sie scheute
davor zurück, ihn nach dem Grund zu fragen, so wie Francesco es vermied, mit
Emilia über seine weitreichenden Erfahrungen auf dem neuen Kontinent zu
sprechen. Doch die beiden verbanden genug andere Themen und ihren Begegnungen
mangelte es nicht an Gesprächsstoff. Manchmal fragte sich Francesco jedoch, wie
viel Emilia von seinen inneren Zweifeln erriet. Doch sie unternahm nie den
Versuch, ihn danach zu fragen. Ihr gegenseitiges Verständnis wuchs mit jedem
seiner Besuche und sie schmiedeten ein unverbrüchliches Band der Freundschaft.
Immer seltener leistete ihnen Emanuele dabei Gesellschaft. Wenn er dann kam,
wirkte er gehetzt und nervös. Kaum eingetroffen, drängte es ihn schon wieder
zum Aufbruch. Je weiter die Genesung Emilias jedoch voranschritt, umso größer
wurden die Abstände seiner Besuche. Emilia sorgte sich um ihn.
Serafina
teilte Emilias Sorge und hatte ihr geraten, mit Francesco bei seinem nächsten
Besuch darüber zu sprechen.
Dazu bot
sich der verabredete Spaziergang im Park der Villa Meraviglia an. Nach über
zwei Monaten der Rekonvaleszenz hatte ihr Donna Elvira, die strengste aller Heilerinnen,
endlich erlaubt, das Bett länger als eine Stunde zu verlassen.
Das Dezemberwetter
zeigte sich von seiner besten Seite. Die Luft war mild, die Sonne strahlte von
einem wolkenlosen Himmel und der Park war erfüllt von fröhlichem
Vogelgezwitscher. Doch Emilia konnte den Tag nicht richtig genießen. Nach dem
üblichen Geplauder über die Fortschritte ihrer Genesung, den Kindern und dem fortgesetzt
schönen Wetter, setzte Emilia an, um mit Francesco über Emanuele zu sprechen.
Doch jener kam ihr überraschend zuvor, indem er ihre Hände in die seinen nahm
und verkündete: „Besser, ich sage es Euch gleich. Ich bin gekommen, um mich von
Euch zu verabschieden.“
Emilia
fühlte, wie Schwäche sie durchflutete. „Ihr wollt mich wieder verlassen?“,
flüsterte sie. Die Erkenntnis, dass er sie erneut im Stich lassen würde, ließ
sie schwach werden. Sie sank an seine Brust und unvermittelt zog Francesco sie
an sich und strich ihr über das Haar. Emilia genoss das wunderbare Gefühl, doch
unversehens flammte auch der vertraute Zorn in ihr auf. Er ließ diese kurze
Nähe nur zu, weil er sich im Abschied sicher fühlte. Sie löste sich von ihm:
„Ja, geht nur! Verlasst mich, um Euch in irgendeinem Winkel zu verkriechen.
Ausgerechnet jetzt, da ich in großer Sorge um Emanuele bin und Eure Hilfe
dringend nötig habe. Das zeigt den wahren Wert Eurer Freundschaft“, warf sie
ihm vor. „Ich mag mich geändert haben, aber ich sehe, dass Ihr noch ganz der Alte
seid.“
Zu ihrer
Genugtuung schienen ihn ihre Worte getroffen haben. Francesco wirkte ehrlich
bestürzt. Er kniete vor ihr nieder: „Verzeiht mir, Emilia. Vittoria hat Recht.
Ich bin ein ungeschickter Esel.“
Dies war die
letzte der Reaktionen, die Emilia erwartet hatte. Stolz und Unnachgiebigkeit,
ja. Aber
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