Das Hexenkreuz
in eine völlig andere Richtung. „Nein, nicht um
Francesco geht es, obschon seine knabenhafte Schönheit die Begierden Beatrices geweckt
hat. Nein, ich spreche von deinem Bruder Emanuele. Weisst du, wie einst die Freundschaft
zwischen Francesco und Emanuele begann?“
„Nein. Ich
hatte mir einige Male vorgenommen, Emanuele danach zu fragen. Stets aber
beschlich mich das eigentümliche Gefühl, dass es ihn in Verlegenheit bringen
würde, darüber zu sprechen. Aber du weißt es?“ Erwartungsvoll hing Emilia an
Elviras Lippen.
„Ja. Der
Principe hat es mir einmal anvertraut. Ihre Freundschaft nahm vor zehn Jahren
im Noviziat seinen Anfang. Francesco befand sich dort im letzten Studienjahr
und nahm sich der Neuzugänge an. Ihm fiel auf, dass ein älterer Mitbruder
Gefallen an deinem Bruder gefunden hatte. Emanuele, unschuldig und unbedarft
wie er war, hat die Avancen des Mannes wenig verstanden. Francesco Colonna sehr
wohl. Er hat sich den Unverschämten vorgeknöpft und Emanuele vor der möglichen
Schande bewahrt. Von jenem Tag an hat er Emanuele unter seine Fittiche
genommen. Trotz des Altersunterschieds von acht Jahren hat sich eine echte
Freundschaft zwischen diesen beiden unterschiedlichen Männern entwickelt.“
„Also hat
Francesco meinen Bruder beschützt. Danke, dass du es mir erzählt hast, Elvira.
Es erklärt, warum Emanuele nicht darüber sprechen wollte. Doch die Episode
zeigt auch, weshalb Francesco meinem Herzen so teuer ist. Aber sag, warum hast
du eben behauptet, die beiden Männer wären sehr verschieden? Teilen nicht gerade
sie besonders viele Gemeinsamkeiten? Ihren Glauben und ihre Berufung?“
„Liebe
Emilia, lass dich nicht täuschen, welche Motive junge Männer in die offenen Arme
der Mutter Kirche treibt. Glaub mir, wenn allein der Glauben sie leiten würde,
dann herrschte in den christlichen Klöstern und Konventen gähnende Leere.“
„Natürlich
weiß ich, dass es verschiedene Motivationen gibt, lautere und unlautere. Aber
sowohl mein Bruder wie auch Francesco haben sich aus freien Stücken für diesen
Weg entschieden.“
„Wenn ich
von den Unterschieden sprach, so meinte ich, dass Emanuele den Glauben schon
immer in sich trug. Er ist ein wahrer Beseelter. Dem jungen Colonna hingegen
bot der Glauben die Zuflucht, die seine geschundene Seele suchte. Durch Beatrices sadistische Taten
musste Francesco den dunkelsten Grund der Seele erfahren, jenen Ort, an dem
sich die Bestien verbergen. Sein gesamtes Weltbild ist daran zerbrochen. Da er
nicht mehr an den Menschen glauben konnte, hat er sich Gott zugewandt, um seine
inneren Dämonen zu bekämpfen. Hätte Francesco damals nicht zu Gott gefunden, er
wäre vielleicht an seinen furchtbaren Erlebnissen zugrunde gegangen. Ich weiß
es, denn ich habe ihn damals nach seiner Flucht gepflegt.“
Das also
war das Geheimnis, das die beiden miteinander verband! Emilia knetete ihre Hände, dann entschloss
sie sich, zu fragen: „Donna Elvira, ich möchte Euch wirklich nicht aushorchen, denn
Geheimnisse sind dazu da, sie zu hüten. Aber könnt Ihr mir wenigstens verraten,
was es damit auf sich hat, dass Beatrice Francesco ihr Fischchen genannt
hat?“
Donna Elvira
ließ die Bürste sinken. „In der Tat steht es mir nicht zu, Euch mehr darüber zu
sagen, Emilia. Doch ich könnte Euch immerhin etwas über die letzten Jahre des
alternden Kaisers Tiberius auf Capri erzählen. Seine sadistischen und
sodomistischen Neigungen waren in Rom allgemein bekannt. Er hielt sich eine
Gruppe Lustknaben, die ihm für seine Perversitäten ständig zur Verfügung stehen
mussten. Sein liebster Zeitvertreib bestand im gemeinsamen Baden im
kaiserlichen Thermalbecken. Er zwang dort die Knaben zu allerhand Knabbereien
unter Wasser und nannte sie seine Fischchen. Wer nicht ausreichend Eifer bei seinen
perversen Spielchen an den Tag legte, wurde kurzerhand über die Klippen ins
Meer geworfen… Seid gewiss, Emilia, wer in seinen frühen Jahren solch´ grausame
Erlebnisse zu verkraften hat, dessen Seele wird ein Leben lang daran kranken.
Nur wenige schaffen es überhaupt, dies zu überwinden. Ihr seid eine kluge Frau und
versteht sicher, was ich Euch damit sagen möchte?“ Donna Elvira sah sie mit hochgezogener
Augenbraue an.
„Ja, ich
habe Euch verstanden und versichere Euch, dass ich nicht vorhabe, Francesco zu versuchen.
Alles, was ich mir für ihn wünsche, ist, dass er glücklich wird und seinen
Frieden mit sich halten kann.“
„Selbst wenn
dies bedeuten
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