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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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durch Francescos Ausführungen
nicht erschlossen. „Ich bedauere die prekäre Lage des Ordens aufrichtig, glaub
mir. Trotzdem erklärt sich daraus nicht, warum Emanuele den Kontakt zu mir
abgebrochen hat. Was habe ich mit den politischen Ränkespielen der Jesuiten zu
schaffen? Ich bin Emanueles Schwester und kein übelwollender Feind“, entgegnete
Emilia befremdet.
    „Natürlich
nicht“, versicherte ihr Francesco. „Was ich sagen wollte, ist, sollten sich
unsere Feinde endgültig durchsetzen und der Papst verbietet den Jesuiten-Orden,
dann wird unser Pater General Ricci mit hoher Wahrscheinlichkeit verhaftet
werden - und mit ihm seine Vertrauten. Es könnte zu einem Prozess kommen, in
dem man sie alle als Ketzer verurteilt“, eröffnete Francesco schonungslos.
    Emilia
sprang auf: „Emanuele könnte verhaftet werden? Aber warum? Was könnte man ihm schon Unlauteres vorwerfen? Verzeih, aber das klingt geradezu absurd. Außerdem
habe ich eines gelernt: Dass kein Gefängnis dieser Erde stark genug ist, als
dass es nicht durch Gold gesprengt werden könnte. Beatrices Vermögen mag
vielleicht verflucht sein, doch es ist gut genug, um meinen Bruder aus dem
Gefängnis freizukaufen.“ Emilia stutzte. Ihr war ein Gedanke gekommen: „Wie
steht es mit dir, Francesco? Du hast mich häufig aufgesucht. Hast du nicht selbst
eine exponierte Stellung innerhalb des Ordens inne? Als ehemaliger Assistent
des Pater General genießt du sicher weiterhin sein Vertrauen. Weshalb glaubt
Emanuele mich schützen zu müssen, wenn du es nicht tust?“
    Francesco
mied ihren Blick. Stattdessen starrte er auf den Weg zurück, den sie genommen
hatten.
    „Was ist? Habe
ich dich mit meiner Frage in Verlegenheit gebracht?“
    Francesco
wandte sich Emilia langsam wieder zu. Unschlüssigkeit stand in seinen klaren
grünen Augen zu lesen, aber auch Unbehagen. Fragend sah Emilia zu ihm auf. So viel
Zutrauen lag in ihrem Blick, dass sich Francescos Herz unwillkürlich
verkrampfte. Er hatte mit Vorhaltungen gerechnet, weil er Emanuele in diese
Lage gebracht hatte. Doch sie hatte ihn weder verurteilt noch ihm Vorwürfe
gemacht. Vielmehr hatte sie angedeutet, dass sie sich dem Kampf stellen und
Emanuele beistehen würde. Ja, sie hatte die Wahrheit verdient. „Ich habe
dir bisher etwas verschwiegen, Emilia. Hast du dich nie gefragt, warum ich bei
meinen Besuchen kein Priestergewand getragen habe?“
    „Nun, ich
hatte angenommen, dass du es mir zuliebe tatest, da ich einmal gesagt habe, wie
sehr ich es verabscheue, dich derart verkleidet zu sehen. Aber das ist lange
her und viel ist seither geschehen. Ich würde mich nicht mehr daran stören.“
    „Nein, im
Gegenteil. Du weißt nicht, wie Recht du mit deinen Worten hattest.“
    „Recht?
Womit? Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen“, erwiderte Emilia verwirrt. Es
entsprach kaum Francescos Art, sich in Rätseln auszudrücken.
    „Damit, dass
ich mich verkleidet habe. Nicht nur, dass ich abgelehnt habe meine alte
Position wieder einzunehmen. Ich habe den Pater General darüber hinaus um meine
Entlassung aus dem Orden ersucht.“
    „Du…? Du
bist kein Priester mehr?“, stotterte Emilia und ergänzte bestürzt: „Aber Gott
zu dienen war dein Leben!“ Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, dass sie
sich gewünscht hatte, genau diese Worte von ihm zu hören. Doch sie begriff auch,
dass er weiterhin mit seiner Entscheidung haderte. Das also war das Geheimnis,
das er seit ihrer Wiederbegegnung mit sich herumtrug und das sie unbewusst an
ihm wahrgenommen hatte. „Aber warum hast du das getan? Allerdings, du musst
nicht mit mir darüber sprechen, wenn du nicht willst“, fügte sie hastig hinzu.
    Francesco
drückte ihre Hände und versicherte ihr: „Nein, es ist gut. Ich schulde dir eine
Erklärung. Mein Entschluss, Amerika den Rücken zu kehren, entsprang der
Erkenntnis, meinem Leben eine neue Richtung geben zu müssen. Versteh mich nicht
falsch, der alte Weg war für eine lange Zeit der richtige für mich. Er hat mich
gerettet. Aber ich kann ihn nicht weitergehen. Im Grunde meines Herzens habe
ich es schon lange gewusst. Emanuele hat es vor mir erkannt. Hat er dir
erzählt, dass wir uns damals, bevor ich nach Martinique abreiste, im Streit
getrennt haben? Nein? Er nannte mich einen Heuchler, der die Flucht ergreifen
würde. Er hatte Recht. Die Zeit, die ich in dem Fischerdorf unter jenen
einfachen Menschen verbracht habe, hat mich eines Besseren belehrt. Man ist, was
man ist. Doch die Frage ist

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