Das Hexenkreuz
hatte ich um Emilias
Willen gehofft, dass die beiden vielleicht doch zusammenfinden könnten…“
„Wie?“,
unterbrach ihn Serafina verblüfft. „Francesco ist kein Priester mehr? Aber warum
hat er es uns gegenüber nie erwähnt?“
„Weil er
nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Er ist ein Mann wie alle anderen, und
dazu ist er auch noch feige. Er hat uns alle getäuscht!“ Emanueles Stimme
brach.
Serafina
schenkte aus einer bereitstehenden Karaffe Wein ein. Wortlos reichte sie ihm
das Glas. Emanuele leerte es mit großen Schlucken. Doch anstatt ihn zu
besänftigen, erzielte der Wein die gegenteilige Wirkung. Heftig stellte er das
Glas auf dem mamornen Sims ab und wetterte drauflos: „All sein Gerede von Spiritualiät
und Seelenfrieden und seinen Zweifeln. Jetzt weiß ich, dass er uns die ganze
Zeit über zum Narren gehalten hat. Nichts als Lügen. Und ich Esel habe ihm
Trost gespendet, war ihm in jeder Minute ein Freund…“ Er hielt kurz inne, um
sich selbst das Glas zu füllen und erneut zu leeren.
Serafina
betrachtete ihn fasziniert. Zum ersten Mal konnte sie in ihm das Aufflackern
jenes Temperaments erkennen, das sonst Emilia auszeichnete. „Was hat Francesco
denn genau verbrochen?“, ermunterte sie ihn weiter zu sprechen, da sein
redseliger Ausbruch in Stummheit umgeschlagen schien. Emanuele starrte schon
eine ganze Weile auf das leere Glas in seiner Hand, als wunderte er sich
darüber, welchem Zweck es diente. Endlich sah er Serafina an. Das Funkeln in
seinen Augen war erloschen und er wirkte mit einem Mal erschöpft. „Ich habe
heute durch reinen Zufall Kenntnis erlangt, dass Francesco nie beabsichtigt
hat, sich nach Viterbo zurückzuziehen.“
„Aber warum
sollte er das dann behaupten? Das ergibt keinerlei Sinn, Emanuele. Sicherlich
handelt es sich nur um ein Missverständis. Ich bin mir sicher, Francesco würde
dich niemals wissentlich belügen“, versuchte Serafina ihm ihre Zuversicht
mitzuteilen.
Emanuele sah
sie mit einem derart gequälten Gesichtsausdruck an, dass sie unwillkürlich
erbleichte. „Was hast du noch erfahren?“
„Francesco
hat vor, sich in wenigen Tagen erneut nach Martinique einzuschiffen.“ Emanuele
machte keinen Hehl aus seiner Verachtung.
„Aber warum
sollte er sich erneut einem solchen Risiko aussetzen?“, rief Serafina entsetzt.
„Das letzte Mal wäre er beinahe zu Tode gekommen!“
„Ganz
einfach“, schnaubte Emanuele. „Weil er dort Frau und Kind zurückgelassen hat.“
Serafina sackte
das Herz in die Magengrube. „Süßer Jesus. Bist du dir sicher? Ich kann mir kaum
vorstellen, dass…“
„Natürlich
bin ich sicher“, fiel ihr Emanuele heftig ins Wort. „Ich habe den Brief des Vaters
diesen armen Mädchens, das er sitzen gelassen hat, selbst gelesen.“
„Es ist wahr?“,
flüsterte Serafina. Kraftlos sank sie auf einen Sessel. Dann suchte sie
Emanueles Augen: „Du musst mir versprechen, dass du Emilia nichts davon sagst.
Es würde sie vernichten und ihre endgültige Genesung gefährden!“
„Aber
deshalb bin ich gekommen. Emilia muss die Wahrheit erfahren. Wie soll sie
sonst…“
„Ich teile
die Meinung meiner Tochter, lieber Freund“, unterbrach ihn eine zweite
Frauenstimme.
Die beiden
waren so sehr in ihren Disput vertieft gewesen, dass sie das Eintreten von
Donna Elvira nicht bemerkt hatten.
„Hör mir zu,
Emanuele. Ich kenne die Neigung, die Emilia seit langem für Francesco Colonna
hegt. Die Liebe des russischen Fürsten konnte sie nur für kurze Zeit
verdrängen. Ihr gemeinsames Kind jedoch ist ein bleibendes Band. Das Wissen,
dass Francesco selbst ein Kind hat, könnte die Kammer ihres Unterbewusstseins
öffnen und Emilia an ihren eigenen Verlust erinnern. Wir müssen ihr diesen
Schock ersparen. Schlimmer als der Blutverlust war das Nervenfieber, es könnte jederzeit
neu aufflackern. Du musst deine Wahrheitsliebe dem Seelenfrieden deiner
Schwester unterordnen. Kannst Du das?“
Einen
Augenblick lang hielt Emanueles tiefblauer Blick dem bernsteinfarbenen Donna
Elviras stand. Dann senkte er den Kopf, zum Zeichen, dass er sich ihrer
Argumentation unterwarf.
Plötzlich
wurde die Tür aufgerissen und eine strahlende Emilia stürmte herein. „Oh, ich
wusste, dass du hier bist! Endlich sehe ich dich wieder, Bruder. Eigentlich
müsste ich dir böse sein, weil du so lange nicht gekommen bist, aber ich bin
viel zu glücklich, dich zu sehen“, rief Emilia und umarmte ihn innig.
Dann löste
sie sich von ihm und nahm ihn bei den
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