Das Hexenkreuz
vielerlei Gründe. Meist mokierten sich Priester, Freunde, Nachbarn oder
alle zusammen darüber, wozu ein Mädchen lesen und schreiben lernen sollte.
Meistens aber fürchtete der Haushaltsvorstand sich davor, dass seine Tocher
bald gebildeter sein könnte als er selbst und sah seine Authorität in Frage
gestellt. In diesem Fall, der Tochter des Schmieds, war das letzte Wort lange
nicht gesprochen.
Ein
livrierter Diener in weißen Handschuhen und ondulierter Perücke eilte herbei,
um ihren Umhang entgegenzunehmen. Noch immer tat sich Serafina schwer, von
soviel natürlichem Luxus umgeben zu sein. Sie begegnete ihm, indem sie weiter
auf ihre einfach geschnittenen Kleider aus grauer oder brauner Wolle bestand,
selbst wenn diese nun aus feinerem Tuch waren. „Ist Donna Elvira zuhause,
Fabiano?“, erkundigte sie sich bei dem älteren Diener.
„Nein,
Signorina. Eure Frau Mutter ist soeben ausgegangen, um eine neue Medizin für
die Eccellenza zu erwerben“, erwiderte der Mann gemessen.
„Und die
Fürstin?“
„Ihre
Eccellenza ruht. Sie hat strikte Anordnung gegeben, dass sie die nächsten
Stunden nicht gestört werden darf. Sie hat sich gleich nach dem Besuch des
Principe Colonna in ihre Gemächer zurückgezogen“, fügte er hinzu, wissend, dass
diese Information Serafina sicherlich interessieren dürfte.
In diesem
Haus blieb leider rein gar nichts verborgen.
Die
Haustürglocke schlug an. Es musste sich um einen ungeduldigen Besucher handeln,
denn sie läutete geradezu Sturm. Ein zweiter Diener eilte herbei, um diese zu
öffnen.
Zu ihrem
Erstaunen erkannte Serafina in dem ungeduldigen Besucher Emanuele. Sie ging ihm
besorgt entgegen. „Pater di Stefano“, begrüßte sie ihn förmlich, da sie übereingekommen
waren, sich in der Gegenwart von Dritten nicht zu vertraut zu geben. „Welche
Freude, Euch hier zu sehen. Es ist lange her. Eure Schwester wird sich sehr
über Euren Besuch freuen. Ich habe eben vernommen, dass sie ruht, doch ich
werde ihr sagen, dass Ihr da seid. Kommt, ich geleite Euch so lange in unseren
Empfangssalon.“ Rasch schritt sie ihm voran. Emanuele folgte ihr mit gesenktem
Kopf. Sie schloss die Türe. „Emanuele, was ist denn los? Ist etwas passiert?“
Der junge
Priester verharrte breitbeinig vor dem Kamin. Er hatte den Kiefer grimmig
aufeinandergepresst, als wappnete er sich dagegen, dass ihm keine unbedachten
Worte entweichen konnten.
„Gut, ich
verstehe“, interpretierte Serafina sein Schweigen. „Du willst darüber nur mit
Emilia sprechen. Ich werde gehen und sie wecken, falls sie nicht schon durch
dein Läuten wach geworden ist.“
„Nein“, hielt
Emanuele sie wider Erwarten zurück. „Bleib. Besser wir lassen Emilia noch eine
Weile ruhen. Sag mir, war Francesco heute hier?“
Serafina
wunderte sich ein wenig über die Frage, antwortete jedoch wahrheitsgemäß: „Ja,
er kommt recht häufig hierher, wie du weißt. Ein Diener hat mich eben darüber
in Kenntnis gesetzt, dass Emilia den Principe heute empfangen hat.“
„Dieser
Schuft. Warum kann er meine Schwester nicht in Frieden lassen? Dabei ist alles
meine Schuld. Ich selbst habe ihn hierhergeschickt, damit er weiter seine Lügen
verbreiten kann“, brach es völlig untypisch aus Emanuele heraus.
„Emanuele!“,
entfuhr es Serafina verdutzt. „Wie sprichst du denn über deinen Freund?“
„Francesco
wird Rom erneut verlassen. Er hat mir gestern Abend unter dem Siegel der Verschwiegenheit
anvertraut, dass er sich in ein Kloster nach Viterbo zurückziehen will und dort
Exerzitien betreiben möchte, um seinen Glauben zu prüfen. Es sollte ein
Geheimnis zwischen dem Pater General, mir und ihm bleiben. Doch ich habe ihm
eine Bedingung gestellt: Dass er Emilia ebenfalls in sein Vorhaben einweihen
muss. Sie hat sich ein Recht auf die Wahrheit erworben. Ich weiß, wie sehr sie
ihn einst geliebt hat und wir beide wissen, dass auch er Gefühle für sie hegte.
Doch er hatte sich entschieden sein Leben Gott zu weihen, und hat sich diese
Liebe aus dem Herzen gerissen. Und ich habe ihn für seine Standhaftigkeit noch
bewundert…“ Den letzten Satz stieß er voller Verachtung aus. Er offenbarte
damit das ganze Ausmaß seiner Erschütterung.
„Wovon in Gottes
Namen sprichst du? Was ist denn geschehen?“
Doch
Emanuele schien Serafina nicht gehört zu haben. Er fuhr fort, in seinen Monolog
versunken: „Nachdem Fürst Sergej im Krieg gefallen und Francesco unserem Orden
seit seiner Rückehr aus Amerika nicht mehr angehört,
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