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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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schwören?“
    „Nein, denn
ein Schwur ist immer nur so viel wert wie jener, der ihn leistet, nicht wahr?“,
sagte er traurig. „Geht in Frieden, mein Sohn. Wenn die Zeit gekommen ist,
werde ich Euch rufen.“
    Emanuele drehte
sich in der Tür ein weiteres Mal um. Mit bebender Stimme sagte er: „Mein Vater,
verzeiht mir diese letzte Frage. Wenn das Schlimmstmögliche eintreten sollte
und man Euch verhaftet, was soll dann mit dem Paket geschehen?“
    „Seid ohne
Sorge, mein Sohn. Pater Baptista weiß, was zu tun ist. Er wird mit Euch in
Kontakt treten. Denkt daran: Was auch geschieht, es ist allein Gottes Wille,
der uns lenkt.“ Mit diesen Worten schloss der Pater General seine Tür. Emanuele
sollte ihn nie mehr wiedersehen.
     
    Emilia fühlte sich am Abend seltsam unruhig und konnte sich
nicht dazu entschließen, die Kerzen zu löschen. Zweimal schon hatte sie nach
Ludovico und Sascha gesehen, doch die beiden Kinder schliefen friedlich in
ihren Betten, schnarchend bewacht von ihrem Fell tragendem Hofstaat.
    Um ihre
gereizten Sinne zu beschäftigen, hatte sie sich schließlich mit einem
zweihundert Jahre alten Gedichtband Vittoria Colonnas in ihrem Bett gemütlich
gemacht. Vittoria, Francescos Uranin, war eine begabte Dichterin und enge
Freundin des großen Michelangelo gewesen. Und, Ironie des Schicksals, in ihrer
Zeit ebenfalls mit dem Markgrafen von Pescara verheiratet gewesen. Im Gegensatz
zu ihr war Vittoria Colonna unsterblich in ihren Gemahl verliebt gewesen und
hatte ihm über den Tod hinaus die Treue bewahrt.
    Unerwartet
zu dieser späten Stunde klopfte es. Emilia warf sich einen Frisiermantel über und
fand sich ihrem Majordomus Donatus gegenüber. In Schlafrock und Schlafmütze,
die verkniffene Miene gespensterhaft durch eine Kerze beleuchtet, verkündete
er, dass ein „junger, an Penetranz kaum zu überbietender Mönch“ verlangte, sie
sofort sprechen zu müssen. „Leider, Eccellenza, er ließ sich nicht abweisen.“
    „Hat er denn
gesagt, um was es sich handelt?“
    „Nein, er
beteuerte nur, dass er die Fürstin in einer dringenden Angelegenheit sprechen
müsse.“
    „Es ist gut,
Donatus. Womöglich handelt es sich um einen Boten meines Bruders. Wo befindet
er sich jetzt?“
    „Er wartet
in der Halle.“
    „Nein“,
erklang eine dumpfe Stimme hinter ihm und schob ihn beiseite. „Er ist hier.“
Eine gedrungene Gestalt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, trat ein. Donatus
plusterte sich entrüstet auf, um gegen dieses unmögliche Benehmen zu
protestieren.
    Doch der Mönch
lüpfte nun kurz die Kapuze. Emilia zuckte leicht zusammen, als sie den
mysteriösen nächtlichen Besucher erkannte. „Ihr könnt Euch beruhigt
zurückziehen, Donatus. Ich kenne diesen Mönch.“ Sie schob den Verdutzten durch
die Tür und schloss sie. Dann warf sie sich Emanuele an den Hals und hielt
verblüfft inne. Sie war auf das Hindernis an seiner Taille gestoßen. „Nanu?“,
wunderte sie sich. „Hast du die gute Küche entdeckt? Vor zwei Wochen warst du so
dünn, dass ich mich um deine Gesundheit sorgte. Und jetzt bist du so rund und
proper wie der Benediktinerpater, der sonntags Almosen verteilt. Was soll dieser
Aufzug? Bist du unter die Spione geraten?“
    Emanuele
antwortete mit einem gequälten Lächeln. Hinter ihm öffnete sich die Tür und
Serafina trat ein. „Donatus sagte mir, du hättest einen späten Besucher
empfangen…?“ Schon entdeckte sie Emanuele in seiner Verkleidung und ihr Gesicht
zerfloss in ein Fragezeichen. Emanuele runzelte bei ihrem Anblick die Stirn.
Offenbar hatte er nicht mit ihrem Erscheinen gerechnet. Er schritt an ihr vorbei
zur Tür und drehte den Schlüssel um.
    „Was tust du
da, Emanuele? Und wie siehst du überhaupt aus?“, rief Serafina verdutzt.
    Wortlos zog
Emanuele die Perücke vom Kopf. Dann löste er die Kordel und raffte mit beiden
Händen die braune Kutte. Er enthüllte dabei magere sehnige Beine, die in
staubigen Sandalen steckten. „Ich muss dieses Paket abschnallen. Ich schwöre,
es fühlt sich so heiß an, dass es mir meine Haut versengt.“ Mit der Behutsamkeit
einer Amme legte ihr Bruder das Paket auf dem Bett ab. Seine Miene hatte sich
nicht entspannt.
    „Was ist da
drin? Hast du etwa das Siegel des Papstes gestohlen?“, versuchte sich Emilia an
einem Scherz, obwohl ihr kaum danach zumute war. Das eigenartige Benehmen
Emanueles erschreckte sie. Serafina schien es ebenso zu ergehen. Mit
aufgerissenen Augen starrte sie auf das Paket. „Nein, natürlich

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