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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Schultern. Forschend sah sie ihm in die
Augen. „Ich spüre, dass du traurig bist. Es geht um Francesco, nicht wahr?“
Weil Emilia sich völlig auf ihren Bruder konzentrierte, entging ihr, dass
Serafina und Signora Elvira sich jäh versteiften.
    Doch Emilia
sprach weiter: „Sei nicht traurig, Emanuele. Francesco hat mir versprochen,
dass er wiederkehren wird. Alles wird gut werden.“
    Das lärmende
Erscheinen von Ludovico, Sascha und den drei Hunden machte jedes weitere
ernsthafte Gespräch unmöglich.

 
XVII
     
    Die Sandalen der beiden Männer, die gegen Mitternacht durch
die Gänge des römischen Professhauses des Jesuitenordens huschten, verursachten
keinerlei Geräusch auf dem Marmorboden. Auf ihrem langen Weg begegnete ihnen
keine Menschenseele. Nur ihre Schatten folgten ihnen im unruhigen Schein der
Fackeln entlang der Wände.
    „Hier ist
jener, den Ihr habt rufen lassen, Eminenz“, kündigte der Ältere seinen
Begleiter an. Gemeinsam betraten sie das Scriptum. „Ich danke Euch, Pater
Baptista.“ Damit war der Begleiter entlassen und er zog sich leise zurück.
    „Setzt Euch,
mein Sohn“, begrüßte der Generalobere des Jesuitenordens Emanuele. Er selbst
stand am Fenster. Der junge Besucher fragte sich, was sein Spiritual wohl dort
hinter den dunklen Scheiben sehen mochte, denn der Himmel über Rom war
verhangen und die Nacht tintenschwarz.
    Der Pater
General war nicht übermäßig groß und schlank. Die langen schmalen Hände hatte
er auf dem Rücken verschränkt. Emanuele wunderte sich, warum Ricci ihn mitten
in der Nacht zu sich hatte rufen lassen? Unwillkürlich geriet ein sorgfältig in
Wachstuch eingeschlagenes Paket in sein Blickfeld. Es thronte mitten auf dem
wuchtigen Eichenschreibtisch zwischen mehreren aufgestapelten Schriftrollen und
einem braunen Kleiderbündel. Das Paket wies eine ungewöhnliche Form auf und
wirkte wie ein halber Ball. Nicht minder seltsam nahmen sich die in das
Wachstuch eingearbeiteten Schlaufen aus, durch die rundherum ein stabiler
Lederriemen mit Schließe lief. Das Paket trug einen Gürtel? Und war das
tatsächlich eine Perücke mit einer Tonsur? Die fraglichen Gegenstände wirkten seltsam
deplatziert in dieser von Büchern, Manuskripten und Schriftrollen geprägten
Umgebung. Tatsächlich hatte sich der Raum, seit er ihn vor mehreren Stunden
verlassen hatte, sehr verändert. Das ansonsten ordentliche Offizium wirkte nun
geradezu chaotisch. Stapel von Schriftstücken bedeckten jede erdenkliche
Fläche, sogar den einfachen Ziegelboden. Dieses Durcheinander erschien ihm
höchst ungewöhnlich für einen Mann wie Ricci, der viel Augenmerk auf Ordnung
verwandte. Wie soll man seine Gedanken ordnen, wenn die eigene Umgebung von
Chaos beherrscht wird? pflegte er zu sagen.
    Endlich
brach Ricci sein Schweigen, doch er wirkte dabei, als spräche er mit sich
selbst. „Was geschieht nur mit dieser Welt? Alles gerät aus den Fugen. Die Mächtigen neiden uns unsere
Erfolge. Und warum? Weil der Mächtige nichts mehr fürchtet als die Macht, die
anderen erwächst. Bisher war unser Orden ein Bollwerk im Angesicht des Wandels.
Und nun? Unsere Feinde verbünden sich, verschwören sich, konspirieren gegen uns.
Alles verkommt zu Intrigen und Ränkespielen, dabei dienen alle diese Machenschaften
nur einem Ziel: Der endgültigen Vernichtung des Ordens des heiligen Ignatius!“
Ricci hob die Stimme: „Ich frage mich, wo bleibt da Gott ? Er sei
mein Zeuge, dass es mich niemals dazu gedrängt hat, dieses Amt zu übernehmen.
Seit meiner Jugend war es mein ureigenstes Bestreben, allein meinem Gott mit
der ganzen Kraft meiner Seele zu dienen.“
    Derart tief
empfundener Schmerz lag in seiner Stimme, dass Emanuele schüchtern einzuwenden
wagte: „Aber dient Ihr Gott nicht ebenso in diesem Amt, ehrwürdiger Vater?“
    Der Pater
General wandte sich zu ihm um: „Das ist ja das Dilemma, mein Sohn. Gott zu
dienen und die Bürde und die Pflichten, die dieses Amt mir auferlegen, sind
leider nicht allzu oft in Einklang zu bringen. Nun denn…“ Ricci seufzte und
trat zu seinem Schreibtisch. Erschöpfung und Kummer hatten tiefe Furchen in
sein Gesicht gegraben. Er war ein ruhiger und eloquenter Mann, der die vier
Kardinalstugenden Frömmigkeit, Enthaltsamkeit, Tapferkeit und Gerechtigkeit
lebte. Ein Mann, wie geschaffen, um den Orden in ruhigen Zeiten in einen Hafen
zu geleiten. Doch das Schiff der Jesuiten war in allzu stürmische See geraten.
Und Ricci hatte den unbarmherzigen Gezeiten einzig

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