Das Hexenkreuz
verstehen.“
„Natürlich
verstehe ich dich“, entgegnete Serafina gallig. „Du bist noch verrückter als
Emilia. Die Liebe scheint einem geradezu den Verstand auszusaugen. Weiß der
Himmel, in welche Gefahr du Emilia mit deinen Hirngespinsten gebracht hast.
Wenn ihr etwas passieren sollte, dann trägst du mit Schuld daran.“
„Ich werde
mich ganz sicher nicht dafür entschuldigen, dass ich Francesco ebenso liebe,
wie Emilia es tut“, blieb Filomena bockig.
„Nein, aber
dafür, dass du absolut unverantwortlich gehandelt hast. Wenn du Emilia schon
nicht am Aufbruch hast hindern wollen, dann hättest du wenigstens sofort zu mir
kommen müssen. Stattdessen wolltest du sichergehen, dass sie einen ausreichenden
Vorsprung gewinnt, richtig? Dann erst tauchst du scheinheilig hier auf und
spielst die Nichtsahnende. Gratuliere, du beherrschst die Kunst der Täuschung
perfekt. Du bist wirklich die Tochter deiner Mutter“, endete sie böse. Doch sie
bereute ihre Worte sofort, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte.
Filomena war
kreidebleich geworden. Sie mit ihrer Mutter zu vergleichen, stellte für sie die
schlimmste aller Beleidigungen dar. „Oh, du… Miststück“, schimpfte sie und
verschluckte sich beinahe an ihren eigenen Worten. „So denkst du also von mir.
Endlich zeigst du dein wahres Gesicht. Aber du hast mich ja noch nie leiden
können. Du warst schon immer eifersüchtig auf meine Freundschaft mit Emilia. Du
wärst gerne ihr einzige Freundin geblieben!“ Filomena stürzte blindlings davon.
Serafina
wollte ihr folgen, doch der Verletzte benötigte seinen Trank. Später suchte sie
nach Filomena, konnte sie aber nirgendwo finden. Sie musste in die Schule
zurückgekehrt sein. Auch gut, dann würden sie ihren Streit eben ein anderes Mal
zu Ende austragen.
José Moñino y Redondo, Gesandter ihrer
allerkatholischsten Majestät, dem spanischem König Karl III. am Hofe Papst
Clemens XIV., war mit sich höchst zufrieden. Seit vielen Jahren trieb er den Sturz
des Jesuitenordens voran und die Dinge entwickelten sich ganz in seinem Sinne.
Seine Abneigung gegen die Jünger des heiligen Ignatius gründete auf deren
Anmaßung, in der gesamten bekannten Welt, unter dem Deckmantel der
Missionierung, Einfluss auf die Politik nehmen zu wollen. Welche Ironie des
Schicksals, dass Ignatius von Loyola einst selbst ein Angehöriger des
spanischen Adels gewesen war!
Schon
bevor die streng geheimen Constitutiones des Ordens beim Prozess in Frankreich
gegen den Jesuitenpater Antoine de la Vallette, dem betrügerischen Prinzipal
der Karibischen Inseln, ans Licht gekommen waren, hatte Moñino herausgefunden,
dass sich der Orden allein dem Papst unterwarf. Jeder angehende Jesuit musste
ihm in einem geheimen vierten Gelübde unbedingten Gehorsam geloben. Erst kam
der Papst, danach der König! Selbstredend, dass sich der Orden damit den Zorn
der Monarchen Europas zugezogen hatte. Selbst vor Mord schreckten die Jesuiten nicht
zurück! Sie befürworteten in ihren Schriften ausdrücklich den Tyrannenmord,
wenn ein König ihrer Meinung nach zu schwach in seinem Glauben war. Er wollte
daher seinem Äquivalent in Portugal, dem Minister Marquis de Pombal, nicht
nachstehen. Dieser hatte schon 1757 die Verfolgung der Jesuiten in Portugal und
seinen Kolonien erreicht. Pombal hatte ausreichend Beweise dafür gesammelt,
dass der Orden in Paraguay während des Guaranikriegs gemeinsame Sache mit den
Indios gemacht hatte und gar in das Attentat auf König Joseph I. von Portugal
verwickelt gewesen war. Er selbst hatte das Verbot bei seinem König Karl III.,
einem Reformen gegenüber aufgeschlossenen Mann, zehn Jahre später erreicht. Als
dessen Gesandter leitete er nun sein Meisterstück ein: Das generelle Verbot des
Ordens durch Papst Clemens XIV. Oh ja, der Orden des Ignatius würde bald
aufhören zu existieren!
Es klopfte
und sein Assistent meldete ihm den erwarteten Besuch des Cavaliere di Stefano. „Schickt
den Mann herein.“
Moñino
verschwendete keine Zeit auf den üblichen Austausch von Höflichkeiten, sondern
empfing Piero ohne Umschweife mit den Worten: „Ihr habt Euch reichlich Zeit
gelassen, Cavaliere. Und, habt Ihr sie?“
„Selbstverständlich,
Eure Exzellenz. Hier...“ Mit einer hochfahrenden Geste leerte er den Inhalt
seiner ledernen Tasche auf dessen Schreibtisch aus. Ein knappes Dutzend in
Wachstuch gewickelte Rollen purzelten hervor.
„Sachte,
sachte!“, gab Moñino einen Warnruf von sich und sprang mit ausgestreckten
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