Das Hexenkreuz
Geschäft verhelfen. Und ich würde mich für
die Vermittlung dir gegenüber ebenfalls erkenntlich zeigen.“ Piero klopfte
einladend auf die Tasche, in der er sein Geld verwahrte. Er konnte sehen, dass
der Junge mit sich kämpfte. Um die Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen,
zog er ein Geldstück aus der Tasche und hielt sie dem Jungen direkt unter die
Nase. Rasch schlossen sich dessen schmutzige Finger darum. Er zog Piero ein
wenig zur Seite, in den Schatten des Stalles und flüsterte: „Das Pferd gehört
einem schönen Jüngling.“
Auch wenn es
das Rätsel für ihm kaum löste, so fühlte Piero doch Erleichterung bei diesen
Worten. Er wunderte sich fast über sich selbst, dass er befürchtet hatte, dass
Emilia verletzt sein könnte. Doch der Junge, da er sein Schweigen nun einmal
gebrochen hatte, kam nun erst in Fahrt. Er machte Pieros Erleichterung schnell den
Garaus, als er begeistert fortfuhr: „Er muss sich bei seiner Verhaftung mit dem
Degen gewehrt haben wie der Teufel. Ich hörte, wie die Soldaten, die ihn
brachten, sich lauthals darüber beklagten, dass er einen von ihnen getötet und
mindestens zwei weitere verwundet hat. Doch wisst hoher Herr, dieser Jüngling
war gar kein Mann“, raunte er geheimnisvoll im Dialekt des Romanesco, der
Sprache der Unterschicht Roms.
„Wie? Was
soll das heißen?“, stieß Piero ahnungsvoll hervor. Er kannte die Vorliebe
seiner Schwester, sich beim Reiten bevorzugt in ein Männerkostüm zu kleiden.
„Unter der
Hand erzählt man sich, dass der Jüngling tatsächlich eine Dame war und zwar
eine wunderschöne, mit schwarz herabwallendem Haar. Die Soldaten wollten es
unbedingt geheim halten. Kein Wunder, welcher Soldat der auf sich hält, posaunt
schon gerne heraus, von einem Weib besiegt worden zu sein“, sagte er
verächtlich. „Aber das ist Rom. Hier kann niemand etwas geheim halten“,
erklärte er weiter und grinste spitzbübisch.
„Es ist gut.
Hier…“, Piero zückte eine weitere Münze. „Wenn du so viel weißt, dann weißt du
sicher auch, ob die Dame verletzt war und wohin man sie gebracht hat?“
Der Junge
sah ihn erschrocken an, als würde ihm eben erst klar werden, dass er schon zu
viel verraten hatte. Doch er schielte begehrlich auf die zweite Münze und sagte
leise: „Ich glaube, sie war verwundet, edler Herr. Man hat sie Monsignore
Bertolli übergeben.“
„Wer ist
Monsignore Bertolli?“
„Der
Privatsekretär seiner Eminenz Stoppani.“
„Lautet so nicht
der Name des Großinquisitors von Rom?“
Der Bursche
wunderte sich kaum, dass sein Gegenüber plötzlich blass geworden war. Auch wenn
das alte Gespenst der Inquisition heute eher einem zahnlosen Löwen glich, so
reichte es dennoch, um düstere Schatten herbeizurufen.
„Eben der“,
sagte er, schnappte sich von Piero die Zügel und verschwand rasch im Stall,
bevor der Fremde ihn noch weiter aushorchen konnte.
Piero ließ
sich sein eigenes Pferd zurückgeben. Er hatte inzwischen zu viel Zeit verloren.
Überdies kam ihm sein Plan nun dumm und töricht vor. Er fragte sich, was er
sich dabei gedacht hatte, in das Büro des Großinquisitors zu spazieren und von
ihm Gold für die Information zu verlangen, dass sich geheime Kirchendokumente
im Büro des spanischen Gesandten befanden? Sich den Spanier zum Feind zu machen
war eine Sache, aber die Kirche herauszufordern eine andere. Viel bedeutsamer
erschien ihm nun die Frage, wie Emilia in das Visier der Inquisition geraten
sein konnte? Und warum hatte sie sich derart vehement der Verhaftung durch die
päpstlichen Soldaten widersetzt?
Es galt als
schwerwiegende Tat, die Waffe gegen die Soldaten des Papstes zu erheben. Eine
Weile sah sich Piero einem heftigen inneren Kampf ausgesetzt. Das Einfachste
für ihn wäre gewesen, wenn er Emilia ihrem Schicksal überlassen hätte. Niemand
konnte ihm einen Vorwurf daraus machen, denn wer würde überhaupt davon
erfahren? Dann schoss ihm ein weiterer, an Diabolik kaum zu überbietender Gedanke
durch den Kopf: Wenn Emilia auf Nimmerwiedersehen in den Kerkern des Vatikans
verschwände, würde er als älterer Bruder die Vormundschaft für seinen Neffen
übertragen bekommen. Sein Vater war dafür zu alt. Er, Piero, hätte damit die
Verfügungsgewalt über das vereinte Vermögen der Fürsten von Pescara und
Wukolny!
Piero fuhr
sich mit der Zunge über die plötzlich trocken gewordenen Lippen. Die Aussicht
auf so viel Geld machte ihn schwindelig und unwillkürlich krampften sich seine
Hände um die
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