Das Hexenkreuz
und Gehen auf der Straße verfolgen können. Sie
erreichte den Saum des Waldes. Die Stämme waren hoch und mächtig, eine dunkle
Phalanx, die dem Menschen noch trotzte. Rasch führte sie Pferd und Maultier
zwischen den ersten Bäumen hindurch. Der Tag kündigte sich jetzt mit aller
Macht an, doch im Inneren des Waldes herrschte noch Zwielicht. Die hohen Kronen
schirmten mit ihrem weitverzweigten Geäst den Himmel wie ein Dach ab, als
wollte der Wald seine Mysterien vor ihm verbergen. Aus Richtung der einsamen
Gehöfte durchbrach das heisere Bellen eines Hundes die Stille des alten Waldes.
Irgendwo erklang der helle Schrei eines Bussards.
Emilia drang
in den Wald ein, dessen Geäst sich kaum mit dem ersten Grün des Laubes gefärbt
hatte. Die Stute folgte ihr willig nach, doch das verflixte Maultier schien für
Wald und Baum nichts übrig zu haben. Es bockte nach wenigen Metern und weigerte
sich glattweg, einen Schritt weiter zu gehen. Fluchend legte sich Emilia in die
Zügel und zog das Tier mühsam Meter für Meter hinter sich her. Sie hatte
vielleicht fünfzig Meter geschafft, als ihre Ohren das liebliche Plätschern von
Wasser vernahmen. Sie hielt direkt auf das Geräusch zu. Fast wäre sie in den
kleinen Bach hineingefallen, so schmal und verloren zog er sich zwischen den
Bäumen hindurch. Emilia ließ die Zügel des Maultieres fahren, kniete sich hin
und tauchte kurz ihre wunden Hände hinein. Dann eilte sie zu Serafina. Mühsam
knüpfte sie den rauen Strick los, den Ferrante um Taille, Hände und den
Sattelknauf geschlungen hatte. Ihre Freundin reagierte zwar und öffnete sogar
kurz die Augen, doch der Ausdruck darin blieb traumverloren. Emilia musste
allerhand Mühe aufwenden, um Serafina aus dem Sattel zu heben. Zum Schluss
entglitt sie ihr doch und sie plumpsten gemeinsam in das knöcheltiefe Laub.
Serafina ließ sich auch dadurch nicht stören. Emilia verfluchte im Stillen Cesira,
die ihr ein wahres Höllengetränk verabreicht haben musste.
Mit der
Pferdedecke improvisierte sie eine Lagerstatt unter einer riesigen Pappel und bettete
Serafina darauf.
Stute und
Maultier löschten inzwischen ihren Durst am Bächlein. Emilia trank ebenfalls.
Ihr Körper fühlte sich an wie gerädert, aber sie konnte sich keinen Schlaf
gönnen. Sie durchstöberte die Satteltaschen und entdeckte neben dem Vorrat an
scharfen Würstchen zwei Fladen Brot und mehrere verschrumpelte Äpfel. Hungrig
verschlang sie ihre Mahlzeit. Nach diesem schnellen Frühstück band sie die
Stute und das Maultier sorgsam an je einem Baum fest. Diese Vorsichtsmaßnahme
war nötig, da ihre gutmütige Stute zwar mit dem Maultier fraternisiert hätte,
doch das störrische Vieh nicht mit ihr. Dann eilte sie zurück zu der Stelle, an
der sie den Wald betreten hatte und legte sich auf die Lauer. Sie hatte die
Stelle gut gewählt. Der Verlauf der Straße war von hier aus auf mindestens
zweihundert Metern Länge einsehbar. Paridi sondierte das Terrain und setzte
dann zu einer wilden Jagd auf dem grünen Kamm des Hügels an. Er verfolgte einen
imaginären Feind, schlug verrückte Haken und stoppte dann abrupt ab, um sich
mit Wollust im frischen Gras zu wälzen. Emilia verfolgte sein lustiges Treiben.
“Na, du kleiner Kobold“, meinte sie, als er sich mit einem Gänseblümchen im
Maul vor ihr aufbaute. Er ließ das Blümchen wie ein galantes Geschenk vor ihr
fallen. Plötzlich stob der Kater davon, zurück in den Wald. Trotz Paridis
Kapriolen hatte Emilia die Straße nicht aus den Augen verloren. Ihre Ausdauer
wurde eine Stunde später belohnt. Ein Reitertrupp näherte sich von Osten her in
raschem Galopp. Ohne Frage war er auf dem Weg zurück ins Zigeunerlager. Emilia
zählte sechs Pferde. Trotz der Entfernung konnte sie die rot-schwarzen
Uniformen der herzoglichen Soldaten unterscheiden. Am liebsten hätte sie ihren
Vorsprung genutzt und wäre sofort aufgebrochen. Die Soldaten vermuteten sie nicht
in ihrem Rücken. Doch Serafina schlief noch immer und Emilia bezweifelte, dass
sie es allein schaffen würde, ihre Freundin auf das Maultier zu hieven. Trotzdem
wollte sie es versuchen. Sie rappelte sich eben auf, als jemand ihre Schulter
berührte. Instinktiv rollte sie sich weg, zog blitzschnell ihren Degen und der
Schultertipper fand sich unversehens mit der Degenspitze an der Kehle wieder. Es
war Serafina! Mehr verblüfft als erschrocken, blinzelte sie auf den kalten
Stahl an ihrem Hals herab. Emilia ließ sofort den Degen fahren und fiel ihrer
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