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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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gesehen habe. Doch dabei
hat es sich nicht um eine meiner üblichen Visionen gehandelt.“ In wenigen
Worten umriss Serafina ihre Vision. Einzig das blutige Messer unterschlug sie.
Manche Dinge blieben besser im Dunkeln.
    „Wie sah die
Frau aus?“, wollte Emilia wissen.
    „Sie war
sehr schön, wenn auch nicht mehr jung. Ich denke, wir beide ahnen, um wen es
sich gehandelt haben könnte.“
    Emilia
flüsterte: „Die Mutter meines Bräutigams.“
    Serafina
nickte.
    „Dann nutzt
sie ihre diabolischen Kräfte, um mich zu sich zu rufen?“, sagte Emilia zweifelnd.
„Wie soll das gehen, wenn sie mich gar nicht kennt?“
    „Das kann
ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zauberei ist nichts, was man erklären
könnte.“
    Emilia
schüttelte den Kopf. „Aber warum gerade ich? Hast du dafür eine Erklärung?“
    „Ehrlich? Das
Einzige, was mir dazu einfällt ist, dass du ein Zwillingskind bist. Für manche
Zauberinnen besitzen diese Kinder eine ganz besondere Bedeutung.“
    „Weil ich
ein Zwilling bin, soll ich von besonderem Wert sein? Hofft dieses Weib etwa,
ich würde ihr die Erben im Doppelpack liefern? Was bin ich? Eine Milchkuh, die
jedes Jahr kalben darf?“, empörte sich Emilia und sprang erneut auf. „Wenn
deine Annahme stimmt, dann muss dieses Weib wahrhaft wahnsinnig sein. Gebe
Gott, dass ich ihr niemals begegne.“
    „Beruhige
dich, Emilia. Wir werden das verhindern. Aber wir sollten jetzt aufbrechen.
Zuvor aber…“. Sie fasste nach ihrer Kette und löste sie von ihrem Hals, „Nimm
mein Kreuz. Es wird dich vor weiteren bösen Träumen beschützen.“
    Perplex
starrte Emilia auf die Kette. „Du willst mir das Hexenkreuz deiner Mutter
überlassen? Nein, das kann ich auf keinen Fall annehmen“, wehrte sie
entschieden ab. Sie wich einen Schritt zurück.
    „Natürlich
kannst du das“, erwiderte Serafina energisch. „Keine Widerrede. Ich brauche es
nicht mehr, wirklich. Ab sofort werde ich mich meiner Gabe stellen. Komm her
und dreh dich um.“ Serafina befestigte die Kette um ihren Hals.
    Vorsichtig
berührte Emilia das kleine Kreuz. „Danke“, flüsterte sie.
    Danach packten
sie ihre Habseligkeiten und machten sich auf den Weg. Diesmal fiel es ihnen
weniger leicht, Begegnungen zu vermeiden. Hinter Avezzano durchquerten sie ein
fruchtbares Tal. Sie konnten nur auf ihr Glück vertrauen und darauf, dass sich
die Soldaten des Herzogs in dieser Gegend keiner großen Beliebtheit erfreuten.
Dies und leider noch viel mehr erfuhren sie von einem mitteilsamen
Schäferjungen, der seine Herde über eine der Wiesen trieb. Im Austausch für die
scharfen Würstchen teilte er außer seinem würzigen Pecorino-Käse auch sein
Wissen mit ihnen. „Ehrlich“, sagte er und leckte sich die Finger. „Man erzählt
sich keine schönen Dinge über den Herzog und seine Gefolgsleute. Alle fürchten
sich vor ihm, aber am meisten noch vor seiner Mutter.“ Er beugte sich vor,
spitzte seinen Mund und flüsterte bedeutungsvoll: „Sie ist eine Hexe, müsst Ihr
wissen!“
    „Und du?
Hast du keine Angst vor ihr?“, fragte Serafina lächelnd das dicke Bürschchen
mit den gesunden roten Backen.
    „Warum
sollte ich? Ich bin völlig unbedeutend für die Metze. Weder bin ich ein neugeborenes
Kind, noch ein gutaussehender Jüngling, oder werde es je sein.“ Er trug dies
mit entwaffnender Unbekümmertheit vor. Doch die ganze Ungeheuerlichkeit dieser
Behauptung entfaltete sich erst auf Serafinas Nachfrage, was denn Säuglinge und
Jünglinge mit der Herzoginmutter zu schaffen hatten?
    „Na ja“, er
sah sich misstrauisch um, als vermutete er heimliche Lauscher in der Nähe. Dann
beugte er sich zu ihnen vor und meinte verschwörerisch: „Es heißt, dass sie den
Ammen ihre Kinder abkauft oder stehlen lässt. Sie braucht die Kleinen für ihre
Hexenkünste. Und die Jünglinge…?“ Er hob die Hände in einer typisch
italienischen Geste. „Manche kehren nicht wieder, andere tauchen als Soldaten
ihrer Garnison wieder auf. Sie verhext sie, da bin ich mir ganz sicher! Von
einem Jungen aus meinem Dorf habe ich es gar aus erster Hand erfahren. Seinem
älteren Bruder ist genau dies geschehen. Jetzt ist er Soldat und will seine
Familie nicht mehr kennen. Er hat seine eigene Mutter halbtot geprügelt, als
sie versucht hat, mit ihm zu sprechen. Kann ich noch eins von diesen
sagenhaften Würstchen haben?“
    Den beiden Freundinnen
hatte es bei seinen haarsträubenden Eröffnungen die Sprache verschlagen.
Serafina fing sich als erste. Mechanisch

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