Das Hexenkreuz
du
zitterst ja…“, rief Serafina erschrocken. Sie griff nach ihrer Decke.
„Nein, ich
friere nicht“, wehrte Emilia sie schwach ab. „Es ist nur… “ Ihre Stimme
stockte, brach ab. Wie erklärt man das Unerklärliche?
Serafina
rutschte neben sie. Statt der Decke legte sie ihr nun einen Arm um die
Schulter. „Was ist noch geschehen?“, erkundigte sie sich leise. Statt einer
Antwort griff Emilia nach einem Zweig und hielt ihn in die schwelende Glut. Das
trockene Holz fing sofort mit einem leisen Zischen Feuer. Genauso hatte es sich
angefühlt. Ein fremdes Wesen aus Feuer, das heiß durch ihren Körper strömte. Serafinas
Finger krampften sich unmerklich um ihre Schulter zusammen. Emilias starke
Empfindungen schossen durch ihre Hand und teilten sich ihr durch kurze,
blitzartig aufflackernde Bilder mit. Für einen Moment konnte sie eine schöne, reife
Frau in einem von Kerzen hell erleuchteten Raum erkennen. Sie trug einen
barbarischen Kopfschmuck aus Gold. Mit ausgestreckten Händen hielt sie ein
Gefäß umfasst, dem ein gleißendes Licht entströmte. Ein weiteres Bild offenbarte
Serafina ein blutbeflecktes Messer, auf dessen Scheide sich zuckende Flammen wiederspiegelten.
Der Rest lag im Dunkel. Serafina hatte bereits von Gerüchten gehört, dass die Mutter
des Herzogs von Pescara in den dunklen Künsten bewandert sein sollte, hatte
dies aber sorgsam vor Emilia verschwiegen. Sie musste tatsächlich über einige
Talente verfügen, wie auch Cesira, in der Serafina ähnliche Kräfte gespürt
hatte. Nun wurde für sie einiges klar. Die Alte hatte der Meisterin ihre
Referenz erwiesen, indem sie ihr Emilia überließ. Doch beide Frauen hatten sich
in Emilia getäuscht. Ihre Freundin hatte sich als stark genug erwiesen, ihren
Versuchungen zu widerstehen. Serafina fixierte das edle Profil ihrer Freundin.
„Fürchte nichts, Emilia. Ich weiß, was Cesira versucht hat. Sie hat dich
unterschätzt und du bist noch immer du selbst.“
„Ich hoffe
sehr, dass ich noch ich selbst bin, Serafina. Eine solche Erfahrung möchte ich
kein zweites Mal machen. Mir ist unbegreiflich, warum all diese Dinge
geschehen“, rief Emilia und sprang auf. „Erst habe ich diesen Traum und nun
dieser seltsame Angriff, wie ein Duell ohne Waffen. Ich kann doch nicht gegen
jemanden kämpfen, der gar nicht da ist! Ich habe diese Flucht unternommen, um
einer ungewollten Heirat zu entgehen. Mehr nicht. Aber das hier…“, Emilia
machte eine ausholende Geste, die Himmel und Erde gleichermaßen mit einschloss,
„geht weit über meinen Horizont hinaus.“
Serafina wusste
nicht warum, aber sie musste plötzlich an die Prophezeiung ihrer Großmutter am
Tag von Emilias und Emanueles Geburt denken. Ihr kam ein Gedanke: „Vielleicht
stellt die Hochzeit mit dem Herzog das kleinere Übel dar? Vielleicht soll es so
sein und all diese Dinge geschehen nur, weil du dich dagegen sträubst?“,
brachte sie behutsam an. Immerhin hatte sie Erfahrung mit den Tücken des
Schicksals. Es fand immer einen Weg. Auch sie war ihrer Gabe letztendlich nicht
entkommen.
Emilia
reagierte ungehalten. „Bist du verrückt geworden? Niemals!“ Emilia sah ihre
Freundin an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. „Ich frage doch nur nach
dem Warum. Bis vor ein paar Tagen war ich nichts weiter als ein unbedeutendes
Mädchen vom Land. Dann kommt ein Herzog und erwählt mich zur Braut. Unversehens
werde ich von Soldaten gehetzt, deine Großmutter erscheint mir im Traum und
schließlich versucht etwas Ähnliches wie ein Dämon von mir Besitz zu ergreifen.
Das alles kann kein Zufall sein. Ich werde diesen Teufelskreis durchbrechen.
Ich verspüre nicht die geringste Lust, mich weiter von unbekannten Kräften
gängeln zu lassen. Sag mir jetzt, was du gesehen hast“, forderte Emilia ihre
Freundin übergangslos auf.
„Wie? Was
meinst du?“ Serafina wurde davon völlig überfahren.
„Bitte, tu
nicht so ahnungslos. Du hattest doch vorhin eine Vision.“ Emilia hatte
Verständnis für das Zögern ihrer Freundin. „Ich weiß, dass du deine besonderen
Kräfte gerne für dich behältst, Serafina. Aber mir musst du nichts vormachen.
Ich kenne deine Fähigkeiten. Wir sind mehr als nur Freundinnen, wir sind
Schwestern im Blute. Hilf mir, gegen das Böse zu kämpfen.“
„Woher weißt
du, dass es böse ist?“, fragte Serafina leise.
„Weil ich
weiß, dass es nicht gut ist!“, rief Emilia empathisch.
Serafina lenkte
ein. „Du hast Recht. Ich leugne nicht, dass ich etwas
Weitere Kostenlose Bücher