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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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sollen wir auf dich bis zum Abend warten?“
    „Warum
warten?“, erwiderte der Hirtenjunge verschmitzt. „Wir können sofort
aufbrechen.“
    „Aber der
Tag ist angebrochen. Wir wären für unerwünschte Beobachter weithin sichtbar“,
wandte Serafina ein.
    „Nicht auf
dem Weg, den wir nehmen werden. Folgt mir.“ Er hüpfte auf nackten Füßen voran.
    „Halt ein,
Filippo. Nicht so hastig. Bist du dir auch sicher? Was ist das für ein Weg? Wir
haben ein Pferd und ein Maultier dabei.“ Filippo kehrte zu ihnen zurück. „Oh,
das ist schlecht.“ Nachdenklich verzog er sein schlaues Gesicht. Dann sagte er:
„Ihr müsst die Tiere hier lassen. Ich werde sie später zusammen mit meinem
Bruder holen.“
    „Warum
sollen wir die Tiere hier lassen? Können wir sie nicht gleich mitnehmen?“,
fragte Serafina mit neu erwachtem Misstrauen.
    „Nein, der
Weg ist schlecht für Pferde.“
    „Bitte sag
uns, wohin du uns führen willst.“ Emilia hatte Filippo die Hand auf die
Schulter gelegt und sah ihn eindringlich an.
    „Ich führe
Euch in die Grotte des Drachen mit den steinernen Zähnen!“
    „Eine
Grotte?“, wiederholte Emilia zweifelnd.
    „Ja, eine
natürliche Grotte. Seht Ihr den Berg zur Rechten?“ Er wies mit seinem
schmutzigen Zeigefinger darauf. „Dorthin müssen wir. Der Weg führt durch ihn
hindurch.“
    „Das ist ja
alles schön und gut, Filippo. Aber wie werden wir ungesehen über den Fluss
kommen?“, erwiderte Emilia und fand ihre Hoffnungen langsam wieder dahinschwinden.
    „Aber wir
müssen nicht über den Fluss, versteht Ihr denn nicht? Wir marschieren
geradewegs unter ihm hindurch!“, rief er in dem ungeduldigen Ton eines
Menschen, dessen Fähigkeiten zu Unrecht angezweifelt wurden.
    „Eine Höhle,
die unter einem Fluss hindurch führt? Davon habe ich ja noch nie gehört“, sagte
Serafina.
    Filippo
schnaubte abschätzig. „Mein Vater sagt, dass nur, weil jemand noch nicht von etwas
gehört hat, dies kein hinreichender Beweis dafür ist, dass es nicht existiert.
Es beweist nur, dass das Leben ein langer Weg ist, an dessen Rand viele neue
Erkenntnisse warten. Sagt mein Vater“, schloss das Bürschchen seinen kurzen
philosophischen Diskurs. Serafina tippte ihm mit ihrem Zeigefinger auf die
Nasenspitze: „Das beweist vor allem, dass dein Vater ein sehr kluger Mann ist,
kleiner Filippo“, sagte sie und lächelte ihm zu. „Wohlan, wir haben diesen
Tadel sicherlich verdient. Wir vertrauen dir und kommen mit.“
    Sie kehrten
kurz zu Ambra und Luigi zurück und entnahmen den Satteltaschen die wichtigsten
Dinge. Es fiel ihnen sichtlich schwer, die Tiere hier alleine und im Ungewissen
zurückzulassen. „Wartet!“ Filippo stieß ohne Vorwarnung einen Pfiff aus. Kaum
eine Minute später stand, wie aus dem Nichts katapultiert, eine etwas jüngere
Ausgabe von Filippo vor ihnen. „Mein Bruder Cesarion“, stellte Filippo ihn
lässig vor. Er flüsterte kurz mit ihm in einem nicht verständlichen Dialekt.
Der Kleine nickte mehrmals heftig. Dann ließ er sich trotz des anhaltenden
Regens im Schneidersitz neben Ambra und Luigi nieder. Er zog dabei ein Stück
Brot und Käse aus seiner Weste. Luigis Kopf ruckte sofort in seine Richtung.
    „Cesarion wird
solange auf Eure Tiere achtgeben“, erklärte Filippo. „Wir können gehen.“
    Filippo
führte sie zunächst durch den dichten Regenschleier querfeldein. Danach mussten
sie ein beträchtliches Stück wieder nach oben zurückklettern und einen schmalen
Felsgrat überqueren, der zwei Canyons miteinander verband.
    Der Weg
mündete geradewegs in eine Sackgasse auf ein langgestrecktes Plateau, das auf
der Nord- und Ostseite von senkrecht aufragenden Felswänden aus Kalkgestein
begrenzt wurde. Zu ihrer Linken fiel eine schwindelerregende Schlucht hinab.
Ratlos sahen sich Serafina und Emilia auf dem beinahe quadratischen Platz um,
als Emilia die herzoglichen Reiter entdeckte. Sie mussten zurückgekehrt und
ihnen gefolgt sein. Der Trupp hatte fast schon den Felsgrat erreicht!
    Filippo hatte
sie nun ebenfalls entdeckt. „Kommt“, schrie er, und zeigte auf die steile
Felswand vor ihnen. „Dorthin!“ Flink wie ein Wiesel rannte er die östliche
Felswand entlang. Es waren mindestens zweihundert Meter. Emilia und Serafina
liefen hinterher. Immer wieder sahen sie sich um. Schon hatten die Reiter ihre
Pferde über den Felsgrat geführt und waren erneut aufgesessen. Sie holten rasch
auf. Niemals würden sie es rechtzeitig bis zur Höhle schaffen, dachte

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