Das Hexenkreuz
Emilia einen mondhellen Stern, so groß wie ihr Daumennagel.
„Ja“,
hauchte Serafina verstört. „Es sind Diamanten. Aber auch, Smaragde, Rubine,
Saphire ...“ Im Gegensatz zu Emilia fürchtete sich Serafina davor, auch nur
einen davon zu berühren. Zuviel Blut klebte an den Edelsteinen. Ihretwegen war
der unglückliche Tote gejagt worden und hatte seine Reichtümer mit in sein
steinernes Grab genommen.
Emilia
betrachtete weiterhin das bunte Feuer in ihrer Hand. Luigis große Schnauze
tauchte hinter ihrer Schulter auf und beugte sich interessiert dem Funkeln
entgegen. Serafina stieß seinen hässlichen Kopf weg. „Fort mit dir!“, schalt
sie ihn.
„Wir sind
reich!“, flüsterte Emilia wie betäubt.
„Sie sind
sicher ein Vermögen wert“, nickte Serafina. „Doch sie sind nicht für uns
bestimmt, Emilia.“
„Was soll
das heißen?“ Besitzergreifend hatte sich Emilias Faust um die Steine
geschlossen.
„Damit meine
ich, dass wir sie nicht behalten können. Diese Steine sind verflucht. Sie
bringen seinem Besitzer Unglück. Denk an die arme Seele, die wir vorhin erst
begraben haben.“
„Aber wir
haben sie gefunden! Meinst du nicht, dass es Vorsehung war? Wir könnten Gutes
mit ihnen tun!“
„Nein,
Emilia, glaube mir, es geht nicht. Edelsteine sind die versteinerten Tränen der
Erde; wir müssen sie ihr zurückgeben. Nur auf diese Weise können wir sie
versöhnlich stimmen und den Fluch brechen.“
„Aber diese
Steine sind die Antwort auf all unsere Sorgen. Verstehst du denn nicht,
Serafina? Ich könnte damit Vaters Schulden bezahlen. Wir wären wieder vermögend
und er müsste mich nicht mehr an den Herzog verkaufen. Wir wären frei…. Wir könnten
nach Hause zurückkehren und alles würde wieder wie früher werden“, verteidigte
Emilia ihren Wunsch, die Steine zu behalten. Sie drückte ihre Faust an ihre
Brust und spürte, wie die unheimliche Kraft der Steine sie durchdrang. Sie
begann zu zittern.
Serafina sah
ihre Freundin traurig an. „Wir können diese Steine nicht behalten. Glaube mir,
ich weiß es. Auf ihnen liegt ein böser Fluch und er würde uns ebenso Tod und
Unglück bringen, wie dem armen Mann in seinem Hügelgrab. Gib sie mir jetzt,
bitte.“ Serafina streckte ihre Hand fordernd aus.
Emilia
zögerte. Langsam öffnete sie ihre Faust und betrachtete voller Sehnsucht das
sprühende Funkeln. „Was ist, wenn wir sie finden sollten? Vielleicht hat uns
der Tote hierhergeführt, damit wir ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen?
Irgendjemand vermisst diesen Mann seit Jahren und bangt um sein Schicksal. Die
Steine sind ein Beweis seiner Existenz. Vielleicht gehören sie seiner Familie
und wir sollten sie ihnen zurückbringen?“
Serafina
sagte nichts, sondern sah Emilia mit einem Blick an, dessen bernsteinfarbene
Intensität ihr fast einen Schauer über den Rücken jagte. „Bist du sicher, dass
du keine Hexe bist?“, fragte Emilia eingeschnappt, doch sie senkte besiegt den
Kopf. „Ist ja gut. Du hast gewonnen. Wenn du so sehr davon überzeugt bist, dass
sie Unglück bringen…“ Emilia ließ die bunte Pracht in Serafinas Hand gleiten.
Nun, da die
Entscheidung über das Schicksal der Steine gefallen war, konnte Serafina sie
ohne Furcht berühren. „Kommst du mit?
„Nein, tu du
es. Lass mich zumindest eine Weile um sie trauern“, seufzte Emilia und wandte
sich ab.
Als Serafina
wenige Minuten später zurückkehrte, erwartete sie eine schmollende Emilia.
Stattdessen traf sie ihre Freundin mit feuchten Wangen vor der kleinen
Feuerstelle an. Sie umklammerte ein zerfleddertes Buch und hielt einen einfachen
Rosenkranz um ihre Finger geschlungen.
„Was ist
los? Warum weinst du?“, rief sie erschrocken.
Wortlos
hielt ihr Emilia das kleine Buch entgegen. Serafina las den Einband. „Eine
Bibel? Aber woher…?“
„Sie befand
sich in der Tasche. Und das hier auch.“ Sie zeigte auf den schlichten
Rosenkranz. „In der Bibel steht auch ein Name.“
Serafina
schlug sie auf und fand auf der Innenseite einige verblasste Buchstaben und eine
Jahreszahl. „Ernestino della Pace, S.J. – 1719.“ Serafinas Kopf ruckte hoch. S.J.
- Societa Jesu . „Der Tote war Jesuit, wie dein Bruder?“
„Ja, was
meinst du, ist mit ihm geschehen? Was hatte er hier in dieser abgelegenen
Gegend zu suchen? Vielleicht gehörten die Edelsteine zu einem Kirchenschatz?
Wir hätten sie vielleicht nicht so voreilig…“
„Nein,
Emilia“, unterbrach Serafina sie. „Diese Steine sind nichts wert, denn
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