Das Hexenkreuz
sie
haben ein Leben gekostet. Ebenso wie der Priester das Geheimnis mit ins Grab
genommen hat, sollten wir darüber Schweigen bewahren. Lass uns nicht mehr
darüber sprechen. Die Steine sind zur Erde zurückgekehrt.“
Schweigend
und ohne großen Appetit verzehrten sie ihre Mahlzeit. Danach rollten sie sich
in ihre Decken. Sie verzichteten auf eine Wache, da ihr Versteck absolut
geschützt lag. Trotz ihrer Erschöpfung konnten die jungen Frauen nicht
einschlafen, zu sehr spukte der tote Priester in ihren Köpfen herum. Am Morgen
erhoben sie sich und zogen weiter. Es waren mühselige Tage der Wanderung. Ihre
Tiere konnten sie wegen dem unwegsamen Gelände fast nur am Zügel führen. Es
ging immer weiter hinauf über felsige und steile Pfade, manche so schmal, dass
sie oftmals umkehren mussten, da sie für ihre Tiere nicht mehr begehbar waren.
Dann wieder führte sie ihr Weg über karge Gebirgsebenen. Außer einigen wenigen
Felsen bot ihnen hier kein Wald und kein Gebüsch Schutz. Dann beeilten sie sich
diese zu durchqueren, stets mit der Furcht im Herzen, einen Ruf zu hören, der
von ihrer Entdeckung kündete. Sie folgten abfallenden Felsgraten, in deren
Schatten noch Schnee lag und zogen an schwindelerregend hohen Schluchten
vorbei. Oft mussten sie ihren Tieren die Augen verbinden - sie hätten sonst
keinen Huf vor den anderen gesetzt. Dann wieder wagten sie sich in Senken hinab
und durchwateten Flüsse und Bäche.
Am
schlimmsten aber war der Regen: Emilias Wunsch hatte sich erfüllt. Nur wenige
Stunden, nachdem sie die Schicksalshöhle verlassen hatten, hatte der Himmel
seine Schleusen geöffnet. Seither regnete es ohne Unterlass und die wenigen
Pfade versanken im Schlamm. Schon einige Male waren sie gestrauchelt und es
grenzte fast an ein Wunder, dass sich bisher weder Mensch noch Tier ernsthaft
verletzt hatten. Serafina zumindest hatte sich einen tüchtigen Schnupfen
eingefangen. Selbst im eintönigen Prasseln des Regens konnte Emilia sie hinter
sich niesen hören. Sie blieb mit einem Ruck stehen, lupfte die Decke, die sie
sich zum Schutz gegen den Regen über den Kopf gestülpt hatte und rief laut:
„Jetzt reicht es. Wir suchen uns ein Versteck, trocknen unsere Kleider und
warten bis es aufhört. Der Regen kann schließlich nicht bis zum jüngsten Tag
andauern.“
Serafina
protestierte nicht. Offensichtlich ging es ihrer Freundin schlechter, als sie
hatte zugeben wollen. Sie befanden sich nun hoch oben im Gebirgsmassiv des
Monte Sibruini, das von einer Vielzahl natürlicher Höhlen durchzogen war.
Emilia ließ Serafina unter einem Felsvorsprung zurück und machte sich allein auf
die Suche nach einer solchen. Sie hatte Glück. Darüberhinaus fand sie im hinteren
Teil der entdeckten Höhle, einen Vorrat an Holz, sowie mehrere muffig
riechende, dafür herrlich trockene Schaffelle. Offenbar diente die Höhle
ansässigen Schäfern als Schlupfloch bei einem Gewitter. Emilia entfachte gegen
alle Vernunft ein Feuer und bald saßen sie in die Schaffelle gehüllt davor.
Serafinas Nase triefte und ihre Stirn fühlte sich heiß an. Zwei Tage verharrten
sie dort. Dann endlich ging der Regen in ein leichtes Nieseln über. Zaghaft
streckten sie ihre Nase hinaus. Serafina betrachtete den Himmel. Dunkle
Wolkenfetzen jagten darüber hinweg. „Ich fürchte, es wird nicht allzu lange
trocken bleiben“, meinte sie skeptisch. Sie behielt leider Recht. Schon am
Abend setzte erneut Regen ein, doch er versiegte in der Nacht und der Morgen
begrüßte sie mit einer blassen Sonne. Die Erde dampfte und die Täler waren in
dichten Nebel gehüllt. Ihr Weg führte sie von nun an stetig bergab; sie hatten
die höchste Stelle des Gebirgsmassivs überwunden.
Kurz bevor
der Morgen graute, hielten sie auf einem grünen Kamm inne. Auf einem
nordöstlichen Hügel erkannten sie ein kleines funkelndes Nest von Lichtern. „Gehören
diese Häuser schon zu Tivoli?“, erkundigte sich Emilia und stellte sich
erwartungsfroh in den Steigbügeln auf.
„Kaum, ich vermute,
das dort ist Subiaco. Komm, ich möchte die Ebene erreichen, bevor es hell
wird.“ Serafina wollte ihrem Maultier die Hacken geben, doch Emilia hielt sie
mit einem warnenden Ruf zurück: „Warte!“ Sie lauschte kurz, dann flüsterte sie:
„Rasch, wir müssen sofort von diesem Weg herunter. Da kommt jemand.“
Sie
verließen den Pfad und banden ihre Tiere etwas weiter weg zwischen einigen
Pinien fest. Dann schlichen sie leise zurück und legten sich unter einem
dichten
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