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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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bedeutete
dies, dass sie sich tatsächlich am gegenüberliegenden Ufer des Flusses Aniene
befanden! Noch mochte sie nicht so recht daran glauben. Filippo bemerkte ihr
Zögern. Mit einer ungeduldigen Geste forderte er sie auf, ihm zu folgen. Er
selbst eilte voraus und wartete am Rande des Abhangs auf sie. Filippo hatte
sich äußerst geschickt angestellt, während die jungen Frauen auf den feuchten
Blättern der Böschung mehrmals ausglitten und bäuchlings zurückrutschten.
Filippo nahm sie oben mit einem Grinsen in Empfang. Nach einem strammen Marsch
begann sich der Baumbestand merklich zu lichten. Auf ein Zeichen ihres Führers
hin, pirschten sie sich langsam bis an die letzten Stämme heran. Unter der
Böschung floss der Aniene schnell dahin. Am gegenüberliegenden Ufer konnten sie
ein großes schiefergraues Dorf ausmachen, dass sich an den Hügel schmiegte. Aus
den Schornsteinen stiegen dünne Rauchfäden in die klare Luft. „Seht Ihr? Dort
ist Subiaco!“, flüsterte Filippo. Ihre Zweifel wurden mit einem Schlag
ausgelöscht. Weiter flussabwärts entdeckten sie die Brücke, ein einzelner Bogen
aus Keilsteinen, erbaut noch in den glorreichen Zeiten Roms. Ein leeres
Ochsenfuhrwerk, rumpelte eben darüber. Der Bauer hielt die Zügel locker in der
Hand. Eine hagere Frau, an der einen Hand ein Kind, in der anderen einen Korb
Eier, folgte dem Wagen zu Fuß.
    Die
Flüchtigen hielten Ausschau nach den rotschwarzen Uniformen der Soldaten, doch
sie konnten keine Spur von ihnen entdecken. Mit Sicherheit hielten sie sich
jedoch in der Nähe versteckt und überwachten die Brücke.
    Leise zogen
sie sich in den Wald zurück. Ganz in der Nähe raschelte es im Unterholz und
alle drei fuhren herum. Doch sie hatten lediglich ein kleines Tier
aufgeschreckt, das nun das Weite suchte. „Ich verlasse Euch jetzt“, erklärte Filippo.
Er hob kurz den Kopf, um zwischen den Bäumen den Stand der Sonne zu ermitteln.
„Es wird bald Mittag sein. Spätestens am frühen Abend bin ich mit Euren Tieren
zurück. Ihr geht inzwischen nach San Francesco. Fragt dort nach Marcello Rocca.
Er ist mein ältester Bruder und lebt dort mit seiner Familie. Sagt ihm, dass
ich Euch schicke. Er wird keine Fragen stellen. Wartet dort auf mich.“ Er wies
ihnen noch den Pfad an, der durch den Wald ins Dorf führte. Dann hüpfte er
davon.
    Sie machten
sich auf den beschriebenen Weg. Der mit Blättern und Humus bedeckte Hohlweg
führte schnurgerade und beinahe eben durch den Wald.  „Ist dieser weiche Boden
nicht herrlich?“, schwärmte Emilia. Sie hatte ihre Stiefel ausgezogen und
reckte ihre rosigen Zehen in die frische Waldluft.
    „Das wundert
mich nicht“, erwiderte Serafina auf ihre trockene Art. „Seit zwei Wochen irren
wir kreuz und quer durch das Gebirge. Wir haben uns daran gewöhnt über Fels und
Stein zu klettern…“
    Sie näherten
sich dem nördlichen Waldende. Die Bäume wuchsen spärlicher und Sonne und Schatten
wechselten sich ab. Zwischen den einzelnen Stämmen hindurch vermeinten sie bereits
die Mauern der ersten Häuser zu erkennen. Eine Kirchturmglocke schlug zwölf Mal
an.
    Serafina
hielt abrupt inne, als hätte sie einen Weckruf vernommen. Aufgrund des am Ende
schmal auslaufenden Pfades war sie dicht hinter Emilia gelaufen. „Bleib
stehen“, rief sie. Durch den Ruf alarmiert, tat Emilia einen Satz und ging
sofort hinter einem Baum in Deckung. Ihr Kopf tauchte jedoch gleich wieder
dahinter hervor, nachdem sie gesehen hatte, dass ihre Freundin ihrem Beispiel
nicht gefolgt war. „Was ist los? Warum jagst du mich in den Graben?“, fragte
Emilia. Aufmerksam spitzte sie umher.
    „Weil wir
gleich die Welt der Zivilisation betreten werden. Wir sollten uns vergewissern,
dass wir auch wie die jungen Herren aussehen, die wir vorgeben zu sein. Dem
kleinen Filippo mag es nicht ins Auge gesprungen sein, aber unsere Wanderung
hat unser Erscheinungsbild ziemlich mitgenommen. Wir müssen unsere Kleider
ordnen.“ Sie trat zu Emilia und knöpfte ihr das Jackett zu. Dann schob sie
einige lange, lockige Haarsträhnen sorgsam unter deren Kappe zurück. Die
Pfauenfeder war geknickt und widerstrebte jedem Wiederbelebungsversuch. Schließ
brach Serafina sie ganz ab. Dann umrundete sie ihre Freundin, klopfte hier
Schmutz ab und zupfte dort Laub und Moos vom Tuch. „So, mehr kann ich nicht
tun. Immerhin bist du jetzt fast präsentabel. Nun bin ich dran“, forderte
Serafina ihre Freundin auf. Emilia gab ihr Bestes. Schließlich nickte

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