Das Hexenkreuz
Was ist hier los? Und Ihr…“
Serafina wandte sich dem Eindringling mit zusammengekniffenen Augen zu, „Euch
kenne ich doch... Was um alles in der Welt habt Ihr hier zu suchen?“
Der
Augenblick, als alle wieder zu Sinnen kamen, war geradezu erdrückend in seiner
Peinlichkeit. Das filigrane Muster des Mosaikbodens - besonders jenes unter dem
jungen Fremden - erfuhr immens viel Aufmerksamkeit.
Emanuele
erbarmte sich schließlich mit blutender Nase der Lage: "Nun ja, also ...
Jetzt, da wir uns alle wieder beruhigt haben, scheint es mir angebracht, uns
einander vorzustellen. Emilia, darf ich dir Pater Francesco Colonna, meinen
Ordenskollegen und guten Freund vorstellen? Francesco, dies ist meine geliebte
Zwillingsschwester Emilia, die Contessina di Stefano."
Emilia,
königlich von Kopf bis Fuß in den seidenen Überwurf gehüllt, reichte ihm mit
vollendeter Grazie ihre Hand. Francesco verbeugte sich tief – hauptsächlich, um
nicht ihrem Blick zu begegnen. Er deutete einen Kuss an, ohne dass seine Lippen
die Hand berührten: "Contessina Emilia. Bitte vergebt mir den unverzeihlichen
Auftritt. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie entzückt ich bin, Euch endlich
in Persona kennenzulernen. Ihr seid mir bereits bestens vertraut durch ... Ähm,
ich meine, ich wollte sagen ..." Er verlor den Faden seiner Rede.
Angesichts dessen, was sich soeben ereignet hatte, erschien die Wortwahl
tatsächlich unglücklich. Er begann von vorne: "Verzeihen Sie mir,
Contessina. Das war ungeschickt. Selbstverständlich lag es mir fern, auf das
eben Geschehene anzuspielen. Ich wollte sagen, dass Euer Bruder mir sehr viel
von Euch erzählt hat. Seid willkommen im Palazzo Colonna und fühlt Euch hier
wie zuhause."
Emilia
brachte ein huldvolles Lächeln zustande und entzog ihm dann hastig ihre Hand.
Er sollte ihr Zittern nicht bemerken. Die erneute, ebenso ungewöhnliche
Begegnung mit dem jungen Mann hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht.
Nach der
gegenseitigen Begrüßung, die Serafina mit einschloss, verkündete Pater Colonna,
dass er und Emanuele sich zurückzuziehen gedachten, um wichtige Angelegenheiten
zu besprechen. Emanuele ergänzte: "So lange bitte ich euch beide, das Gemach
nicht zu verlassen. Die Bediensteten sind zwar vertrauenswürdig, doch haben wir
ihnen nicht gesagt, dass du meine Schwester bist. Wir hielten es für
angebracht, euch für Freundinnen der Principessa Vittoria auszugeben. Wir sehen
uns später beim Abendessen."
"Aber
Emanuele, ich habe noch so viele Fragen an dich", versuchte Emilia ihren
Bruder zurückzuhalten.
"Liebste
Schwester, leider muss deine Neugier sich noch etwas gedulden."
Wenig später
klopfte es. Die Zofe kehrte zusammen mit einem zweiten Mädchen zurück. Auf
ihren Armen boten sie ihnen mehrere prächtige Abendroben zur Auswahl. "Mit
den besten Empfehlungen des Principe. Sie gehören der Principessa
Vittoria", erklärte sie ihnen.
"Principe?
Welcher Principe?", rief Emilia erstaunt. Zu spät fiel ihr ein, dass ihr
Bruder sich eingangs bei dem Majordomus nach einer Principessa erkundigt hatte.
Dann musste es auch einen Principe geben.
„Dem
Principe Colonna natürlich", erwiderte das Mädchen, ob der scheinbar
unsinnigen Frage ihrerseits erstaunt. Serafina trat zu Emilia und legte ihr die
Hand auf den Arm, um sie mit sanftem Druck daran zu erinnern, dass sie in
diesem Palazzo als Freundinnen der Principessa eingeführt waren. Da mochte
Emilias Frage nach dem Principe in der Tat verwundern.
"Verzeiht",
beeilte sich Emilia zu beteuern. "Die Reise hat mich völlig erschöpft.
Bitte dankt dem Principe und der Principessa in unserem Namen. Bitte verlasst
uns nun. Ich möchte gern ein wenig ruhen." Sie berührte ihre Schläfe, als
litte sie an Kopfschmerzen. Die Mädchen beeilten sich ihrer Aufforderung
nachzukommen.
"Ich
staune über dich, Emilia. Die Rolle der exaltierten Adeligen scheint dir auf
den Leib geschneidert zu sein", bemerkte Serafina anzüglich.
"Welche
Rolle?"
"So wie
du die verwöhnte Contessa gibst, der die Strapazen der Reise zugesetzt haben.“
Serafina hatte sich dem Bett genähert, auf dem die Roben wie farbenfrohe
Schmetterlinge ausgebreitet lagen. Serafina fuhr bewundernd mit dem Finger über
die schwere venezianischer Seide. Wie beiläufig ergänzte sie: "Und wie du
dem jungen Pater deine Hand zum Kuss dargeboten hast. Wirklich, unnachahmlich
diese Grazie. Man könnte fast meinen, du hättest bisher nichts anderes getan,
als in Adelskreisen zu verkehren."
Ach,
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