Das Hexenkreuz
Sag, was ist das für eine seltsame
Geschichte? Warum müssen wir uns hier heimlich begegnen?"
"Ich
werde euch beiden alles erklären, aber nicht hier. Ich bringe euch zum Haus
eines Freundes. Kommt, um diese Zeit ist ganz Rom auf den Beinen. Die
Betriebsamkeit ist unser bester Verbündeter.“
Sie ließen
die Tiere vorerst bei Piedegrande im Stall zurück. Der Fußmarsch währte nicht
lange. Das
Haus
des
Freundes entpuppte sich als der Palazzo Colonna in der Via della Pilotta, in
direkter Nachbarschaft der Basilica dei Santi Apostili. Ein würdevoll
dreinblickender Majordomus öffnete ihnen auf ihr Klopfen. Falls er sich über
ihre verschmutzten Kleider wunderte, ließ er sich dies jedenfalls nicht
anmerken. "Pater di Stefano, welche Ehre!", begrüßte er Emanuele.
"Gott
zum Gruße, mein lieber Donatus. Ich bringe Euch hier zwei Freunde, die dringend
eines Bades und einer warmen Mahlzeit bedürfen. Ist die Principessa Vittoria
zuhause?", erkundigte er sich weiter.
"Ich
bedauere sehr, Pater. Die Principessa ist heute Mittag ausgegangen. Man
erwartet sie aber vor dem Abendmahl zurück. Bitte, wenn Ihr und Eure Gäste mir
folgen wollt."
Mit der
Würde eines Königs führte er sie durch die riesige, mit Marmorbüsten und
vergoldeten Möbeln ausgestattete Eingangshalle. Über eine breite Marmortreppe
ging es hinauf in den oberen Wohnbereich. Dort wies der Majordomus ihnen ein
eigenes Appartement an. Anfänglich konnten sie nur die Farben Gold und Rot darin
unterscheiden, so sehr überwältigte sie der ungewohnte Luxus. Die Möbel waren golden,
die Sessel und Sofas mit feinem Brokat bezogen und überall standen auf zierlichen
Tischen Vasen mit Frühlingssträußen, die einen herrlichen Duft verströmten. Ein
Prunkbett mit geschnitzten Pfosten und Vorhängen aus Samt mit vergoldeten
Quasten vervollständigten die Einrichtung. "Es ist alles zu Eurer
Bequemlichkeit bereit. Ich werde sofort Anweisung für Euer Bad erteilen. Falls
Ihr weitere Wünsche haben solltet, so zögert nicht, mich diese wissen zu
lassen.“
„Ich hätte
einen Wunsch, Meister Donatus“, sagte Serafina. „Bitte lasst mir eine Schale
mit heißem Wasser und etwas Scharpie bringen. Ich würde gerne die Wunden von
Pater di Stefano versorgen.“
Emanuele
setzte an, um zu protestieren, doch an Serafinas Miene erkannte er, dass
jeglicher Widerstand zwecklos wäre.
Emilia und
Serafina nutzten die Abwesenheit des Majordomus, um das bezaubernde Appartement
in Augenschein zu nehmen. "Puh, wenn das nicht pompös ist", rief
Emilia laut. Sie blieb vor dem Bett stehen, dessen Ausmaße eine sechsköpfige
Familie verkraftet hätte. Staunend berührte sie das vergoldete Kopfteil, das
wie ein Schwan mit ausgebreiteten Flügeln geformt war. "Jesus, hier
herrscht mehr Prunk als in der Kathedrale zu Assisi! Woher kennst du solche
reichen Leute, Emanuele? Wer ist dieser Freund, von dem du sprachst?" Sie
nahm Anlauf und ihre Absicht wurde Serafina und Emanuele sofort klar. Es war
beinahe rührend anzusehen, wie die beiden auf Emilia zustürzten und mit der identischen
abwehrenden Handbewegung versuchten, sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Zu spät.
Emilia plumpste bereits mit Schwung auf das Bett und versank sofort in der
nachgiebig seidenen Üppigkeit. Entsetzt riefen Serafina und Emanuele wie aus
einem Munde: "Himmel, Emilia, was tust du denn da? Deine Kleidung ist doch
voller Schlamm."
"Puh,
was seid ihr vornehm. Liegt wohl an der glanzvollen Umgebung… Die hat auf euch
abgefärbt", maulte Emilia, kämpfte sich aber bereitwillig aus der weichen
Bettwolke hervor.
"Das
einzige, was hier abfärbt bist du!", schimpfte Serafina mit ihr. Sie
ergriff eines der seidenen Kissen. Demonstrativ hielt sie es Emilia unter die
Nase und deutete auf den Schmutzfleck, den sie auf dem delikaten Stoff
hinterlassen hatte. Emilia zuckte mit den Achseln. Betont lässig schlenderte
sie zu einer Anrichte, die Motive der römischen Mythologie zierten. Eine
goldene Schale, mit Füßchen geformt wie Löwentatzen, thronte darauf. Sie war
randvoll mit exotischen Früchten gefüllt. Emilia stibitzte sich einen rosigen
Pfirsich und grub ihre weißen Zähne hinein. Ihre Augen blitzten ihre Freundin
herausfordernd über die Frucht hinweg an.
Emanuele konnte
nicht anders und brach in ein fröhliches Gelächter aus. "Ach Emilia, du
änderst dich wohl nie. Du bist und bleibst ein Kindskopf." In seinem Ton
lag liebevolle Nachsichtigkeit.
"Ja,
leiste ihrem schlechten Benehmen noch Vorschub", rief
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