Das Hexenkreuz
daher
wehte der Wind, dachte Emilia. Serafina hatte ihre Nervosität bei ihrer
Wiederbegegnung mit dem jungen Priester bemerkt. Doch sie würde ihr nicht den
Gefallen tun und ihre Neugierde befriedigen. Diese Erinnerung war zu kostbar
und auch zu flüchtig, um sie mit jemandem zu teilen, auch wenn dieser Jemand
Serafina war. "Heißt es nicht, dass jedes Talent an seinen Aufgaben wächst?",
erwiderte Emilia hoheitsvoll. Geschickt umging sie damit Serafinas zweite
Bemerkung und antwortete nur auf erstere.
Da sagte
Serafina sanft: „Er ist ein Mann Gottes, Emilia. Du solltest ihn dir besser
gleich aus dem Kopf schlagen.“
Emilias Mund
zuckte. Sie ärgerte sich, dass sie ihrer Freundin so gar nichts vormachen
konnte. Deshalb erwiderte sie ebenso sanft: „So wie du dir Emanuele aus dem
Kopf geschlagen hast?“
Vor Schreck
ließ Serafina das Kleid fallen, dass sie eben aufgenommen hatte: „Das war nicht
nett! Woher weißt du überhaupt davon?“
„Aus
demselben Grund wie du. Weil wir beide uns zu gut kennen.“
„Das ist
etwas anderes. Ich bin nicht du“, verteidigte sich Serafina.
„Was soll
das wieder heißen?“
„Dass du
niemals etwas freiwillig aufgibst. Je schwieriger eine Angelegenheit, umso
hartnäckiger verfolgst du sie. Du bist dann wie ein Jäger, der der Schweißspur
des Wildes folgt. Ich warne dich, du wirst bei Francesco niemals Erfolg haben.
Er ist erstens Priester und zweitens anders. Besser du siehst das gleich ein
und ersparst euch beiden damit unangenehme Situationen.“
„Davon
hatten wir ja schon ein oder zwei“, seufzte Emilia und plumpste auf das Bett. „Was
meintest du damit, dass er anders wäre?“
„Ich glaube,
dass Pater Colonna keine Frauen mag“, erklärte Serafina unverblümt.
Emilia riss
die Augen auf: „Sicher wolltest du sagen, er darf sie nicht mögen.“
„Nein. Ich
denke, er mag sie generell nicht. Ich maße mir zwar nicht an, auf den Grund
seiner Seele blicken zu können, doch ich habe den Eindruck gewonnen, dass er ihnen
mit tiefem Argwohn begegnet. Er will mit ihnen nichts zu tun haben und würde
Frauen am liebsten gänzlich meiden, außer sie gehören seiner Familie an“,
ergänzte sie.
„Bitte,
was?“ Emilia wirkte derart ratlos, dass Serafina tief Luft holte und meinte: „Ich
versuche, es dir auf eine andere Weise verständlich zu machen. Erinnerst du
dich an das Pferd des Schmiedes von Santo Stefano? Du hattest deinen Vater
bedrängt, es ihm abzukaufen, weil der Mann es ständig misshandelt hat. Wir
haben Monate gebraucht, bis das Tier uns auch nur annähernd sein Vertrauen
geschenkt hat.“
Emilia
schnaubte. „Du willst damit doch nicht etwa behaupten, eine Frau hätte
Francesco misshandelt?“
„Natürlich nicht,
nicht so. Aber er scheint Frauen aus irgendeinem Grunde mit tiefem Misstrauen zu
begegnen. Und Misstrauen verhält sich wie eine schwärende Wunde unter der Haut.
Es vergeht nicht mit der Zeit, sondern wirkt wie ein Gift, das weiter gärt. Bitte
versuche ihn daher nicht, Emilia, sondern sieh in ihm lediglich den Freund
deines Bruders.“
„Wie kommst
du darauf, dass ich ihn versuchen würde?“, brauste Emilia auf.
Serafina
seufzte: „Du hast mich genau verstanden. Ich habe dich und auch Francesco
beobachtet. Seine Reaktion, als er dich nackt im Zuber erblickt hat und das
Missverständnis eben mit Emanuele, war, finde ich, aufschlussreich genug. Auch
wenn er ein Priester ist, so bleibt er doch ein Mann. Je mehr du ihn versuchst,
umso mehr wird er dich und auch sich selbst dafür hassen. Dann bleibt dir nicht
einmal seine Freundschaft.“
Emilia stieß
Serafinas Einmischung auf: „Ha, und hast du vielleicht daran gedacht, dass
nicht ich, sondern Gott ihn versucht? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass
derselbe Mann dieselbe Frau unfreiwillig gleich zweimal nackt antrifft?“
Serafina
stemmte die Hände in die Hüften: „Dich ärgert doch nur, dass ich dich mit der
Nase auf etwas gestoßen habe, was du selbst besser wissen solltest.“ Sie sah
Emilia streng an.
„Ist ja schon
gut. Du kannst die Milch wieder abschäumen“, lenkte Emilia ein. „Aber wenn es
mir gelänge, sein Vertrauen zu erringen, dann…“
„Nein,
Emilia“, unterbrach Serafina sofort. „Lass es gut sein. Francesco ist nicht für
dich bestimmt. Was auch immer es ist, was ihm zu schaffen macht, er scheint
seinen Seelenfrieden in Gott gefunden zu haben. Nimm ihm das nicht weg.
Freundschaft ist alles, was er dir bieten kann.“
„Ich hätte
wissen
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