Das Hexenmal: Roman (German Edition)
darauf gebar Elisabeth ihre Tochter Gertrud, die ihren Vater niemals kennenlernen sollte … Das ist schrecklich, nicht wahr, Gudrun?« Die Freundin nickte.
»Ludwig hatte vor Beginn des Kreuzzuges seinem Bruder die Regentschaft übertragen, und so war die arme Elisabeth nun vom Wohlwollen des Schwagers abhängig. Weil die Familie aber dagegen war, dass Elisabeth den Armen so viel Aufmerksamkeit und Essen schenkte, wurde ihr der Umgang mit diesen Leuten verboten.«
»Das ist wirklich merkwürdig, Katharina! Das gleicht schon
wieder deinem Leben«, sinnierte Gudrun, und Katharina pflichtete ihr bei.
»Das habe ich noch nie so klar erkannt, Gudrun. Es gibt wirklich einiges, was mich mit Elisabeth verbindet.«
»Erzähl weiter!«, forderte Gudrun sie auf.
»Elisabeth hielt sich nicht an die Verbote …« Katharina lächelte ihrer Freundin zu. »… und wollte eines Abends mit einem Korb voller Essen, den sie unter dem Mantel versteckt hielt, durch das Tor der Burg gehen, als ein Wachmann sie festhielt und fragte, was sie unter dem Mantel trage. »Einen Korb voller Rosen!«, soll ihre Antwort gewesen sein. Weil der Mann ihr das nicht glaubte, zog er ihr den Mantel gewaltsam von der Schulter. Und tatsächlich, der Korb war voller roter Rosen! Ob diese Geschichte stimmt, weiß ich nicht. Tatsache ist aber, dass Elisabeth zeitlebens gottesfürchtig war und den Armen geholfen hat. Das möchte ich auch, mehr als alles andere auf der Welt«, fügte Katharina leise hinzu. Gudrun sah sie fasziniert an.
»Möchtest du keine Kinder und keinen Mann haben?«, fragte sie ernst.
Katharina schüttelte den Kopf.
»Nein – jedenfalls nicht jetzt. Vielleicht irgendwann einmal, wer weiß. Jetzt möchte ich auf den Hülfensberg pilgern und dort beten, dass meine Wünsche in Erfüllung gehen. Außerdem möchte ich einmal Schloss Bischofsstein sehen. Dieses Gut soll Elisabeths Morgengabe gewesen sein …«
»Morgengabe! Wie wunderschön!«, rief Gudrun aus. Katharina nickte.
»Ja, Herzog Ludwig soll seiner Gemahlin dieses Schloss am Morgen nach der Hochzeit geschenkt haben. Ach Gudrun, wäre es vermessen zu verlangen, dass unserer beider Träume wahr werden?«
Gudrun zuckte wieder mit den Achseln, und jetzt lag ein bekümmerter Ausdruck in ihren Augen.
›Ach Katharina‹, dachte das junge Mädchen, ›wenn du wüsstest, wie nah ich der Erfüllung meines Traumes bin. Und doch gleichzeitig so weit weg, wie du von deinem!‹
Kapitel 29
Nachdem Franziska die »Weiße Frau« im Traum erschienen war, bestand Freifrau Hedwig von Wintzingerode darauf, dass das Mädchen in das Wohngebäude der Burg zog.
Zunächst war ihr Mann strikt dagegen. Doch seine Befürchtungen, dass sich die Bediensteten gegen sie auflehnen könnten, sobald sie Franziskas Geschichte erfahren würden, entkräftete Hedwig mit ihrem Charme. Als er aber auf die Gefahr hinwies, dass jemand das Mädchen an Bonner verraten könne, ließ sie alle Bediensteten im Hof zusammenrufen. Wachmänner, Diener, Küchenmädchen, Köchinnen – jeder, der auf der Burg zu tun hatte, musste sich auf dem Hofplatz einfinden und in einer Reihe aufstellen. Wie ein Feldmarschall schritt die Freifrau an ihrem Gesinde vorüber und erzählte mit trauriger Miene von der Ungerechtigkeit, die dem Mädchen widerfahren war.
Dass man sie der Hexerei bezichtigte, verschwieg sie vorausschauend. Stattdessen erklärte sie, dass der Großbauer das arme Mädchen davongejagt habe, weil er eine Magd als Schwiegertochter nicht akzeptiere, da sie niederen Standes sei. Um die Hochzeit mit seinem Sohn zu verhindern, der seiner Liebe hinterhereilen wollte, würde Bauer Bonner sogar vor übler Nachrede und schrecklichen Lügen nicht zurückschrecken.
Die Frauen auf der Burg äußerten laut ihren Unmut über den unverschämten Bauern. Sie empfanden Mitleid für das Mädchen und taten dies lautstark kund. Sogar in den Blicken der
Männer, die das hübsche Mädchen mit kaum verhohlenem Begehren musterten, lag Mitgefühl.
Franziska stand bewegungslos vor den Bediensteten und schaute beschämt zu Boden.
Hedwig umarmte sie und erklärte, dass man ihr helfen wolle und ihr deshalb Schutz auf Burg Bodenstein gewährt habe. Dann wandte sich die Freifrau wieder dem Gesinde zu, schritt erneut die Reihe ab und blickte dabei jedem Einzelnen ins Gesicht. Sie log, ohne rot zu werden: »Meinem Gemahl ist zu Ohren gekommen, dass Bauer Bonner sogar eine Belohnung ausgesetzt hat, um Hinweise über Franziska zu bekommen
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