Das Hexenmal: Roman (German Edition)
sehen. Nicht nur, dass ich jetzt, um sie bei Laune zu halten, Unmengen teuren Weins spendieren muss, nein, ich habe sie auch noch in deinem Sinne belogen … Und was tust du? Du gehst, als ob dich das Ganze nichts angehen würde. Aber den Wein, den wirst du mir bezahlen! Hast du verstanden?«
Bonner schluckte. Obwohl er wusste, dass Harßdörfer verärgert war und Widerworte ihn zusätzlich reizen würden, entgegnete er: »Das Drecksstück ist auf und davon, Albrecht. Ich habe es eben nicht zugeben wollen, weil ich hoffte, der Rat hätte sich morgen wieder beruhigt und würde davon absehen …«
Der Bürgersmeister machte einen Schritt auf Bonner zu. Das Lächeln war jetzt gänzlich aus seinem Gesicht gewichen. Wut ließ seine Augen aufblitzen.
»Du verstehst nicht im Geringsten, wie das hier läuft … Du bist wahrlich nur ein dummer Bauer, Casper. Ich habe für dich meinen Kopf hingehalten! Ich habe denen da drinnen …«, er wies mit dem Kinn zur wuchtigen Rathaustür, »… bereits von dem Hexenmal erzählt. Das du wahrscheinlich nur kennst, weil du der Frau an die Wäsche gegangen bist! Du denkst doch wohl nicht, dass ich die Geschichte glaube, dass das Mädchen deinen Hof verhext hat. Aber was wahr ist oder nicht, das interessiert jetzt niemanden mehr. Die Stadträte sind schon fest davon überzeugt, dass deine Magd einen Bund mit dem Teufel geschlossen
hat, und das ist, wie du weißt, mein Lieber, das ist eine Verschwörung gegen Gott! Justus glaubt sogar, dass die Hexe seinen Viehbestand mit Schadenszauber belegt hat, weil die Viecher angeblich weniger Milch geben. Glaube mir, Casper, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen haben und wieder klar denken können, werden sie vor deiner Tür stehen und die Hexe holen wollen … Und wenn sie diese nicht finden, so werden sie dir den Hof niederbrennen …«
Bonners Augen weiteten sich vor Angst. Der Bürgermeister schüttelte den Kopf.
»Hast du wirklich überhaupt nicht verstanden, was du angerichtet hast?«
Bonner verneinte. Harßdörfer dachte kurz nach.
»Zwei Tage kann ich die Meute hinhalten …In zwei Tagen aber brauche ich eine Hexe, egal, wen, sonst garantiere ich für nichts mehr!«
Bonner wurde kreidebleich und nickte stumm. Dann stolperte er wie betrunken die Steintreppe hinunter und machte sich auf den Weg nach Hause.
Kapitel 30
Bevor die Kutsche aus dem Innenhof auf die Straße bog, lehnte Anna sich aus dem Fenster, um ihrer Base Magdalena ein letztes Mal zuzuwinken.
Nach zwei Wochen Aufenthalt in Erfurt freute sie sich, wieder nach Hause zu fahren, obwohl sie eine innere Unruhe spürte, die sie sich nicht erklären konnte. Dachte sie an ihren Bruder Clemens, überzog ein Lächeln ihr Gesicht. Anna konnte kaum erwarten, ihn in die Arme zu schließen und ihm ihre Geschenke zu geben. Missmutig hatte sie auch ihrem Mann Wilhelm eine
Kleinigkeit gekauft. Wilhelm! Kaum kam ihr sein Name in den Sinn, verschwand das Lächeln, und sie hatte Mühe, ein Räuspern zu unterdrücken. Anna versuchte, tief durchzuatmen und das ungute Gefühl in ihrem Bauch nicht zu beachten, so wie der weise Mann im Wald es ihr geraten hatte.
Seit sie den Alten aufgesucht und zwei Tage bei ihm in der Hütte verbracht hatte, dachte sie immer wieder an den Traum. An die Bilder, die sie gesehen hatte, nachdem er ihr den bitteren Kräutertrank gegeben hatte.
Obwohl sie die Erinnerung daran zu verdrängen suchte, konnte sie das Bild des wutverzerrten Gesichts ihres Mannes nicht vergessen. Doch sie sah auch Friedrich, sah seinen liebevollen Blick, als er ihr die grüne Drachenschuppe überreichte.
Anna wusste natürlich, dass es keine Drachen gab und dass die Schuppe nur ein Symbol aus Kindertagen war. Ein Zeichen der Liebe, die sie für den jungen Arzt empfand, derer sie sich aber erst jetzt bewusst geworden war.
Als sie in der Waldhütte des Alten aus dem tranceähnlichen Zustand erwacht war, in den sie der Trank versetzt hatte, war ihr Körper von Weinkrämpfen geschüttelt worden, und sie hatte ihr ganzes Unglück hinausgeschrien. Den Verlust der Eltern, ihre unglückliche Ehe und die unterdrückte Liebe zu Friedrich. Der blinde Mann hatte sie tröstend in die Arme genommen und ihr erklärt, dass die Bilder ihres Traums eine tiefe Bedeutung hätten. Er wollte nicht wissen, was sie gesehen hatte, sondern erklärte, dass sie allein herausfinden müsse, was der Traum ihr verdeutlichen wolle. Der Alte verriet ihr nur so viel: Die »wahre« Anna würde nun deutlich
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