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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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behauptete, unschuldig zu sein, hatte sie misstrauisch gemacht.
    »Mutter, rufst du Franziska?«, riss Johann sie aus ihren Gedanken. Er sah sie flehend an. Sie wollte gerade antworten, als die Tür aufgestoßen wurde und Bonner ins Zimmer platzte.
Seine Leibesfülle schien fast die gesamte Kammer auszufüllen. Mutter und Sohn wechselten die Gesichtsfarbe. Der Bauer war zornig, wie man an seiner Körperhaltung und seinem Blick unschwer erkennen konnte.
    »Bursche«, schrie er, »am liebsten würde ich …«
    Als Annerose sich vor ihren Sohn stellte, hob er die Fäuste.
    »Was willst du? Auch Prügel?«, schrie Bonner seine Frau an.
    Ein Blick aus Anneroses eiskalten Augen veranlasste ihn aber, die Fäuste wieder sinken zu lassen.
    Nein, er hatte keine Angst vor seiner Frau. Er hatte vor nichts und niemandem Angst, aber irgendetwas an ihr war heute anders. Kritisch musterte er sie. Er erkannte, dass erneute Schläge an der Situation nichts ändern würden. Bonner machte eine wegwerfende Handbewegung und erwiderte ihren Blick ebenso kalt. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Kammer.

    Bonner ging in die Stube, wo der Selbstgebrannte in einem kleinen Holzfässchen auf dem Schrank stand. Er goss sich ein Schnapsglas randvoll und kippte es hinunter. Dann noch eins und noch ein drittes. Erst dann beruhigte er sich.
    Ihm schwirrte der Kopf. Der Nachmittag war schlecht verlaufen. Im Duderstädter Rathaus hatte man wegen seiner Anschuldigung eine Sitzung einberufen. Er war dorthin befohlen worden, obwohl mit dem Bürgermeister Albrecht Harßdörfer abgesprochen war, dass alles vermieden werden sollte, damit nicht am Ende er selbst als Angeklagter vor dem Richter endete. Harßdörfer hatte Bonner deshalb nur als Zeugen und nicht als Kläger angegeben. Aber dann war der Bauer doch vor den Stadtrat zitiert worden und musste sein Leid mit der Hexe klagen. Seine Beschwerden waren auf offene Ohren gestoßen, da Duderstadt, da waren sich die Räte einig, auf keinen Fall eine böse Frau dulden konnte.
    Bonner hätte zufrieden sein können. Doch dann verlangte der Rat, dass das Mädchen vorgeführt werde. Der Bauer wurde leichenblass, denn damit hatte er nicht gerechnet. Hilfesuchend sah er den Bürgermeister an. Harßdörfer verstand nicht, was mit Bonner vor sich ging, doch da dieser verloren im großen Sitzungssaal stand, war er helfend eingeschritten.
    Gespielt gelangweilt erklärte er, dass es schon spät sei und es ihn dürste. Alle Köpfe hatten freudig genickt, und einstimmig verschob man die Vorführung des Mädchens auf den übernächsten Tag. Denn mit einem brummenden Schädel wollte keiner der Stadträte bereits am nächsten Tag wieder hier sitzen.
    Bonner hatte zwar erleichtert aufgeatmet, aber dann packte ihn Zorn. Alles wäre bestens verlaufen, wenn diese verfluchte Magd nicht wie vom Erdboden verschluckt wäre. Eigentlich hätte der Bauer über ihr Verschwinden jubilieren können, da Johann nun das Mädchen nicht heiraten konnte. Doch jetzt sollte sie vor dem Rat erscheinen, und er musste sie schnellstmöglich finden. Wo aber war sie? Diese Frage beschäftigte ihn so sehr, dass er dem anschließenden Umtrunk im Raum unter dem Sitzungssaal, der über eine schmale Steintreppe zu erreichen war, nur kurz beiwohnte und dann frühzeitig aufbrach. Zwar konnten die Räte Bonners vorzeitigen Aufbruch nicht verstehen, labten sie sich doch unentgeltlich am vorzüglichen Stadtwein. Doch da einer von ihnen gerade den neuesten Tratsch aus der Stadt zum Besten gab, nickten sie Bonner nur gleichgültig zum Abschied zu.
    Dem Bauern stand der Sinn nach allem anderen als nach Wein oder Klatsch. Eilig stieg er wieder zum Sitzungssaal hinauf, überquerte die Vorhalle des Rathauses und war schon durch die schwere Tür nach draußen gegangen, als er hörte, wie sein Name gerufen wurde.
    Der Bürgermeister war ihm nachgegangen. Ein scheinbar freundliches Lächeln lag um seinen Mund, während seine braunen Augen Bonner kalt musterten.
    »Casper, was soll das Theater, das du hier veranstaltest?«
    Bonner ahnte, was der Bürgermeister meinte, tat aber unwissend: »Was meinst du, Albrecht?«
    »Verkaufe mich nicht für dumm!«, zischte dieser ungehalten. »Erst bedrängst du mich mit dieser Geschichte von der Hexe, und dann, als ich alles in die Wege leite, damit der Senat zustimmt, das Mädchen anzuklagen, stehst du wie ein Schuljunge schweigend vor den Männern der Stadt. Wie stellst du dir das vor? Die Meute hat Blut geleckt und will Taten

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