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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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erbrach sich erneut.
    ›Ich muss fort von hier‹, dachte er in Panik. ›Aber ich kann die Magd nicht hierlassen‹, schoss es ihm durch den Kopf.
    Clemens war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Qualm wurde dichter, und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Voller Angst drehte er sich im Kreis und raufte sich die Haare. Als er hörte, wie die Leiter in sich zusammenbrach, schrie er laut um Hilfe. Da er befürchtete, dass man ihn im Prasseln der Flammen nicht hören würde, ging er so dicht an die Scheunenöffnung heran, wie das Feuer es zuließ.
    Clemens konnte den Schwager an der Pferdetränke stehen sehen, und es schien ihm so, als blicke er zu ihm hoch auf den brennenden Scheunenboden. Wilhelms Gesicht wurde durch die immer höher schlagenden Flammen gespenstisch angestrahlt, und der junge Arnold glaubte einen boshaften Ausdruck darauf erkennen zu können. Etwas in Münzbachers Gesichtszügen verriet, dass er Clemens oben auf der Tenne gesehen hatte. Doch der Schwager bewegte sich nicht, sondern schien ungerührt zuzuschauen, wie der Bruder seiner Frau bei lebendigem Leib zu verbrennen drohte.
    Der Knecht Peter kam zu Münzbacher gelaufen und rief ihm etwas zu. Der Notar machte eine abfällige Handbewegung, zuckte mit den Schultern und sah dabei wieder hoch zu Clemens.
Der hoffte vergeblich, dass er die Geste missverstanden hatte, als er die Stimme des Knechts hörte, der den anderen zurief: »Lasst sie abbrennen, wir können die Scheune nicht retten. Es hat keinen Sinn. Kümmert euch um die anderen Gebäude und besprengt die Mauern mit Wasser …« Mehr verstand Clemens nicht, da Peter sich entfernte.
    »Nein, nein«, schrie Clemens mit letzter Kraft. Und tatsächlich hatte man ihn gehört, denn einer der Knechte rief: »Da ist jemand oben auf dem Scheunenboden. Allmächtiger, das ist der junge Herr. Schnell, bringt Wasser!«
    Mehr konnte Clemens nicht verstehen, denn die Flammen und die Hitze drängten ihn von der Luke zurück ins Innere der Scheune. Entsetzt sah er, wie die Flammen an der Leiche der Magd züngelten, und er versuchte, die tote Frau vom Feuer fortzuziehen.
    »Was mach ich nur? Was mach ich nur?«, heulte er auf. Um ihn herum loderte das Feuer. Er ahnte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch das Heu neben ihm zu brennen begänne. Das Hemd noch immer vor den Mund gepresst, kämpfte er sich zur Luke vor, als er sah, wie Münzbacher hämisch zu ihm hochblickte und mit beiden Händen den eigenen Hals umfasste, als ob er sich selbst erwürgen wollte. Der junge Arnold verstand die Geste sofort.
    Er hatte Recht gehabt. Sein Schwager war der Schurke, für den er ihn immer gehalten hatte. Plötzlich begriff Clemens. Münzbacher hatte die Magd getötet und wollte ihm den Mord unterschieben. Niemand würde Clemens glauben, dass nicht er, sondern der Notar der Mörder war.
    Die Stimmen der Knechte rissen ihn aus seiner Erstarrung und ließen ihn die verbrannte Haut spüren. Vor Schmerzen taumelte Clemens zurück in die Scheunenmitte und sah wieder zu der toten Magd. Wenn man ihn retten und die Tote finden würde, wäre sein Schicksal besiegelt.
    Die Hitze wurde unerträglich, und die Flammen hatten seine Haare bereits versengt. Auch würgte er schwarzen Schleim hervor. Der Rauch wurde dichter. Bald hätte er keine Luft mehr zum Atmen. Wieder blickte er um sich und erkannte durch die Flammen an der gegenüberliegenden Wand eine Luke, die mit einem Laden verschlossen war. Sie war gerade so groß, dass ein schmaler Bursche wie er hindurchpassen würde. Clemens kroch so dicht heran, wie es das Feuer zuließ. Bestürzt stellte er fest, dass der Laden mit einem Eisenriegel gesichert war. Ohne lange zu überlegen wickelte er sich das Hemd um die Hand und ergriff den Riegel. Mit dem anderen Arm schützte er seine Augen vor dem dichter werdenden, beißenden Qualm. Nur für einen kurzen Augenblick konnte er sich gegen den Riegel stemmen, dann musste er loslassen, denn die Schmerzen raubten ihm fast den Verstand. Er stieß einen lauten Schrei aus. Um an den Riegel des Ladens zu gelangen, hatte er dicht an die Flammen herantreten müssen, die ihm die Haut am Gesicht und am Oberkörper verbrannt hatten.
    Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie das Heu auch in der Mitte der Tenne zu brennen anfing. Als er sich zu der toten Magd umwandte, sah er, wie die Flammen durch die Ritzen der aneinandergenagelten Bodenbretter züngelten und sich am Kleid der Toten festfraßen. Panik erfasste ihn. Er ergriff

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