Das Hexenmal: Roman (German Edition)
entzündete daran einen Kienspan. Mit diesem entfachte er an mehreren Stellen das ausgebreitete Heu, damit die Wände Feuer fingen.
Sogleich knisterte das trockene Gras, und helle, dünne Rauchsäulen stiegen empor. Rasch kletterte Münzbacher die Leiter hinunter und entzündete unten angekommen die hoch aufgetürmten Heuhaufen.
›Hier muss ein großes Feuer entstehen, damit niemand hinaufgelangt und die Leichen findet. Wenn Marga meinem Schwager tatsächlich den Inhalt der ganzen Flasche eingeflößt hat, ist der auch hinüber‹, überlegte er zynisch, und nichts deutete darauf hin, dass er Skrupel hatte bei dem, was er soeben tat.
Schnell fraß sich das Feuer durch das trockene Heu und verursachte einen beißenden Qualm.
Zufrieden drückte sich Münzbacher zwischen den beiden angelehnten Scheunentoren hindurch und verschmolz mit der mondlosen Nacht.
Clemens erwachte, weil er das Gefühl hatte, sein Körper würde brennen. Fürchterlicher Durst plagte ihn, und die Zunge klebte am Gaumen; auch dröhnte sein Schädel.
Wie betäubt lag er da und konnte seine Augen kaum öffnen. Als er sich aufsetzen wollte, durchzuckte ein stechender Schmerz seinen Körper, der ihn aufstöhnen ließ. Übelkeit stieg in ihm hoch. Ein furchtbarer Hustenreiz quälte ihn und hinderte ihn am Durchatmen. Wieder versuchte er die Augen zu öffnen, aber sie gehorchten ihm nicht. Schwer hingen seine Lider über den Augenhöhlen.
Clemens hörte ein Knistern und Knacken, vermochte die Geräusche aber nicht zu deuten. Auch hatte er keine Erinnerung daran, wo er sich befand, doch dann spürte er das Heu unter sich. Die Hitze wurde unerträglich. Am liebsten hätte er die Kleider von sich gerissen. Als das Knistern lauter wurde, rieb er sich die Schwere aus den Lidern und öffnete trotz der hämmernden Schmerzen in seinem Kopf die Augen.
Über ihm hing eine schwarze Rauchwolke, und mit einem Schlag kam die Erinnerung zurück. Im selben Moment würgte er und erbrach sich. Er wischte sich über den Mund, sah zur anderen Seite und blickte direkt in die toten Augen einer Frau.
Schreiend sprang er auf. Doch es gab keine Luft zum Atmen. Er hustete, und mit jedem Atemzug sog er mehr Qualm in seine Lunge, was einen neuen Hustenreiz zur Folge hatte. Auch brannte der Rauch in seinen Augen, woraufhin er sich wieder auf den Boden setzte. Clemens wollte auf allen vieren zur Leiter kriechen, doch er hatte die Orientierung verloren und wusste nicht mehr, in welcher Richtung sie sich befand.
Als er gegen den leblosen Körper der Magd stieß, schrie er aus Leibeskräften um Hilfe. Doch sogleich bekam er kaum noch Luft. Hustend kauerte er auf dem Boden, als er einen Bierkrug ertastete. Hastig trank er mehrere Schlucke, zog sich das Hemd aus, tränkte es mit dem kostbaren Nass und wischte sich das Brennen aus den Augen. Anschließend presste er sich zum Schutz das feuchte Hemd vor den Mund, wodurch das Atmen leichter fiel.
Immer wieder rief er gequält nach Hilfe, zumal er das Gefühl hatte, schon ewig in der brennenden Scheune gefangen zu sein, auch wenn es nur Minuten waren.
Überall um ihn herum knackte und knisterte es. Noch immer suchte sein Blick nach der Leiter, und plötzlich glaubte er, sie zu erkennen.
Rasch kroch er darauf zu und wollte gerade hinabsteigen, als er sich am heißen Holz die Hände verbrannte. Schreiend versuchte er, mit dem feuchten Hemd die verbrannte Haut zu kühlen. Erst jetzt sah er am Fuße der Leiter die hohen Flammen, die emporloderten und ihn zurückdrängten.
›Die Leiter war die einzige Möglichkeit nach unten gewesen‹, dachte er verzweifelt. ›Springen, ich muss springen.‹ Gehetzt sah er um sich, aber entlang den Wänden brannte es.
Auch durch die Spalten im Tennenboden konnte er die gelbrote Feuersbrunst sehen, die bereits an den Bodenbalken fraß. Kopfschmerzen hämmerten in seinem Schädel, sein Magen schmerzte vor Übelkeit.
Plötzlich drangen von draußen Stimmen zu ihm herauf, die aufgeregt durcheinanderriefen. Er wollte sich gerade bemerkbar machen, als er die tote Frau wieder erblickte. Er rüttelte an ihr, in der Hoffnung, dass sie aufwachte. Doch ihr Körper war ohne Leben. Erst jetzt konnte er die blau verfärbte Haut am Hals erkennen, auf dem sich Spuren von Fingern abgezeichnet hatten, die ihr den Tod gebracht haben mussten.
›O Gott‹, dachte er, ›was habe ich getan? Was ist passiert?‹
Vergeblich versuchte er sich zu erinnern, während der Schmerz in seinem Schädel ihn übermannte. Er
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