Das Hexenmal: Roman (German Edition)
bedroht er Maria und steht hinter der Tür, wenn ich sie bitte, mich zu Anna vorzulassen. Könnte ich Anna doch nur erzählen, dass Clemens noch am Leben ist und sie den Sud nicht mehr trinken soll. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Kräuter ihr die Sinne rauben …«
»Ich habe Hunger!«
Ungläubig sahen Friedrich und Burghard zu Karl.
»Ich habe nichts gesagt!«
Drei Augenpaare blickten zu dem Bett, in dem Clemens lag. Der sah die Männer zaghaft lächelnd an.
»Clemens, du bist wach … wie schön! Geht es dir besser?«
Die Freude war groß in dem kleinen Zimmer. Sogleich holte Friedrich etwas Haferschleim und fütterte den Freund. Karl und Burghard saßen stumm rechts und links am Bett. Als der Mönch etwas fragte, flüsterte Clemens: »Ich kenne deine Stimme, aber ich habe dich noch nie gesehen …«
Burghard, Friedrich und Karl lachten und erklärten die Zusammenhänge.
»Danke!«, sagte Clemens daraufhin zu dem Mönch, der beschämt die Augen niederschlug. Als man von dem Verletzten wissen wollte, was sich in der Nacht zugetragen hatte, schüttelte der zaghaft den Kopf.
»Später!«, konnte er nur noch flüstern und schlief erschöpft wieder ein. Leise verließen die Männer das Zimmer.
Clemens erholte sich langsam. Seine Gesichtshaut begann sich zu erneuern. Sie glänzte frisch und unnatürlich rosig. Auf den kahlen Stellen seines Schädels bildete sich kaum sichtbar zarter Flaum.
Fast überall am Körper schlossen sich die offenen Wunden, und auch seine verletzte Hand konnte er wieder vorsichtig bewegen. Nur die Stelle an seinem Hals, wo eine Brandblase eine unschöne Narbe hinterlassen hatte, nässte und wollte nicht heilen. Mehrmals am Tag strich Friedrich eine heilende Kräutersalbe auf die Wunde und bedeckte sie mit einem frischen Leinentuch.
Dann kam der Tag, da Clemens sich stark genug fühlte, über die Ereignisse in der schicksalhaften Nacht zu berichten.
Nachdem er mit seiner Schilderung geendet hatte, schlussfolgerte Milchkarl: »Man hat also Marga, die Wäscherin von Bauer Motte, beerdigt! Jetzt verstehe ich auch, warum sie ihre Sachen zurückgelassen hat!«
»Wir müssen das melden, Clemens …«
»Wer würde mir glauben, Friedrich? Hättest du vermutet, dass Münzbacher ein Mörder ist? Zumal ich keinen offensichtlichen Grund sehe, warum er die Wäscherin erwürgen sollte, außer um mir den Mord in die Schuhe zu schieben. Würde ich die Wahrheit sagen, würde mein Schwager mir jedoch unterstellen, dass ich ihm einen Mord anhängen will, um an mein
Erbe zu kommen.« Resigniert fügte Clemens hinzu: »Ich lebe zwar, aber mein früheres Leben ist tot. Ich kann nicht zurück, außer wir finden einen Zeugen, der beweisen kann, was wirklich geschehen ist.«
Doch wer konnte die Unschuld des jungen Mannes bezeugen? Mutlos flüsterte Clemens: »Ich vermisse meine Schwester. Wenn ich bedenke, dass Anna wegen mir leiden muss und glaubt, dass ich nicht mehr lebe … Es zerreißt mir das Herz!«
Friedrich hatte ihm Annas Zustand geschildert. Auch, dass Münzbacher sie wie eine Gefangene hielt.
»Kann es tatsächlich sein, dass der Sud sie willenlos macht?«
Der junge Arzt seufzte.
»Du weißt, Clemens, dass ich Anna schon vor Wochen untersucht habe, weil sie sich nicht wohlfühlte …«
Clemens nickte wissend.
»Da war mir bereits aufgefallen, dass Münzbacher eine sonderbare Macht über deine Schwester hat. Ich glaubte damals, dass Anna unglücklich sei, und hoffte, dass sie den Irrtum ihrer Heirat eingesehen hätte. Deshalb riet ich ihr zu dieser Reise, damit sie Abstand gewinnen und gestärkt aus Erfurt zurückkommen sollte. Doch bei ihrer Heimkehr erfuhr sie von deinem Tod – das hat sie tief getroffen! Es wäre ein Wunder gewesen, hätte sie das gut verkraftet, denn auch den Tod eurer Eltern hat sie noch nicht vollständig verwunden. Und ich bin überzeugt, dass der Sud, den Münzbacher ihr zu trinken gibt, ihren Willen zusätzlich schwächt.«
»Vielleicht meint es Münzbacher aber auch gut mit ihr, und die Kräuter helfen ihr über die schlimme Zeit hinweg …«
Burghard schüttelte den Kopf.
»Ich denke eher, dass er etwas anderes mit dem Sud bezweckt. Alles, was Münzbacher bis jetzt getan hat, gleicht einem arglistigen Plan …«
Fragend blickten die anderen ihn an. Der Franziskaner befand, dass es nun an der Zeit war, ihnen die Wahrheit über das traurige Schicksal der alten Arnolds zu sagen, und so berichtete er von dem, was er auf der Wüstung erfahren
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