Das Hexenmal: Roman (German Edition)
hatte.
Friedrich musste Clemens mit aller Kraft ins Bett zurückdrücken. Der junge Mann war außer sich vor Wut und versuchte immer wieder aufzuspringen.
»Ich bringe diesen elenden Hund um!«, schrie er wie von Sinnen.
Erst nach Minuten verließen den Kranken die Kräfte, und der Arzt konnte ihn loslassen. Clemens weinte hemmungslos in sein Kissen und hieb mit der Faust immer wieder auf die Bettdecke ein. Irgendwann kamen keine Tränen mehr, und er schlief erschöpft ein.
Die drei anderen Männer im Raum überlegten nun fieberhaft, was zu tun sei.
»Es ist an der Zeit, dass wir uns einen genauen Plan zurechtlegen, wie wir Anna helfen können. Denn nach allem, was wir über Münzbacher jetzt wissen, führt er nichts Gutes im Schilde«, sprach Friedrich als Erster.
»Kann man nicht heimlich die Kräuter austauschen?«, fragte Karl.
»Die Köchin erwähnte, dass Münzbacher die Kräuter stets bei sich trägt …«, antwortete Burghard.
»Aber nicht in der Nacht!«
»Das nützt uns nichts.«
»Ich kenne jemanden, der das für uns erledigen kann …«, tat Milchkarl geheimnisvoll. Friedrich erwiderte: »Ich will gar nicht wissen, wer das ist.« Dann fuhr er nachdenklich fort: »Aber angenommen es gelingt, die Kräuter zu vertauschen, und Annas Lebenswillen kehrt zurück. Das wird auch Münzbacher nicht verborgen bleiben …«
»Jemand muss schnellstens mit ihr sprechen, und dann muss sie herkommen. Wenn sie sieht, dass Clemens lebt, wird es ihr bestimmt besser gehen, und sie wird sich nicht mehr von Münzbacher gängeln lassen. Alles Weitere können wir dann planen, wenn es so weit ist«, schlug Karl vor.
Friedrich kratzte sich an der Stirn und schüttelte den Kopf.
»So einfach ist das nicht. Wie sollte einer von uns unbemerkt in ihre Kammer gelangen, um mit ihr zu sprechen? Und wie kommt sie dann unbemerkt hierher? Wir können nicht noch mehr Leute in unser Geheimnis einweihen. Weder Burghard noch ich kommen in Münzbachers Haus. Außerdem … so wie ich Anna einschätze, wird sie ihren Mann direkt zur Rede stellen, wenn sie erst einmal die Wahrheit kennt. Und das könnte sehr gefährlich für sie werden.«
»Die Beichte …« Clemens war wieder wach und hatte die letzten Worte mitangehört. »Anna geht jeden Samstag zur Beichte. Wenn sie nicht zu schwach dafür ist, dann wird sie auch weiterhin beichten gehen wollen. Sie muss die Wahrheit erfahren!«, forderte Clemens laut.
Friedrich grübelte.
»Nein, auf keinen Fall dürfen wir ihr jetzt in ihrem geschwächten Zustand die Wahrheit sagen. Ich schlage vor, wir machen Folgendes …«
Pastor Heilmann wunderte sich, dass er per Brief zu einem Sterbefall gerufen wurde, und das kurz vor der abendlichen Beichte. Er packte alle Utensilien für die Letzte Ölung zusammen und fuhr mit seinem Einspänner los.
Burghard, der sich hinter einem Busch bei der Kirche versteckt hatte, wartete, bis der Pastor außer Sichtweite war, und ging dann rasch in das Gotteshaus. Schnell zog er sich das Gewand des Pastors über und nahm in einem der Beichtstühle
Platz. Dort erfuhr er so einiges über die Dingelstedter Bürger. Teilweise musste er schmunzeln, manchmal erschrak er aber auch ein wenig.
›Es ist schon sonderbar, was die Menschen alles beschäftigt‹, dachte er bei sich und erteilte einem jeden die Absolution.
Da er nur flüsterte, fiel keinem auf, dass es nicht Pastor Heilmann war, der da wie gewohnt an seinem Platz saß.
Auch durch das kleine Gitterfenster zwischen den beiden Beichtkabinen konnte man kaum etwas wahrnehmen, zumal der dunkle Türvorhang kein Licht hereinließ.
Zuerst befürchtete Burghard, er würde Anna nicht erkennen, doch als ein zartes Stimmchen ihm beichtete: »Vater ich habe gesündigt!«, wusste der junge Mönch sofort, wer im Beichtstuhl saß. Vor Aufregung musste er sich einige Male räuspern, dann hörte er ihr geduldig zu. Zuerst waren es nur Kleinigkeiten, die sie ihm anvertraute, aber dann sagte sie: »Vater, ich bin eine undankbare Ehefrau …«
»Was veranlasst dich zu dieser Annahme, meine Tochter?«
»Obwohl Wilhelm, mein Mann, sich rührend um mich sorgt, gehorche ich ihm nicht. Wilhelm sieht täglich nach mir und gibt mir heilenden Sud zu trinken. Doch er möchte, dass ich in ein Kloster gehe, damit ich wieder zu Kräften komme. Aber ich will nicht fort von zuhause! Auf dem Gestüt habe ich das Gefühl, dass meine Eltern und mein Bruder noch bei mir sind, auch wenn sie nicht mehr leben. Wilhelm versteht das nicht
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