Das Hexenmal: Roman (German Edition)
mehr Kräuter, Burghard. Kannst du im Wald danach suchen und sie mir bringen? Eine warme Mahlzeit ist dir gewiss …«
So trennten sich die Männer wieder, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch die Angst um Clemens und der Wille herauszufinden, was in der Nacht des Brandes tatsächlich passiert war, verband sie.
Der Arzt hatte angeboten, dass Burghard im Stall bei den Pferden ein Nachtquartier beziehen könne. Das war dem jungen Mönch recht, denn nur im Winter hielt er es in einem geschlossenen Raum aus. Er hatte sich so sehr an ein Leben unter freiem Himmel gewöhnt, dass er sich in einem Zimmer schnell eingeengt fühlte. Hier im Stall konnte er oben im Heuschober den vorbeiziehenden Wolken zuschauen und Sternenbilder suchen. Niemand im Haus wunderte sich über den Gast, denn Friedrich hatte ihn als heilkundigen Mann vorgestellt, der ihn bei seiner Studie unterstützen würde. So brauchte sich Burghard weder über einen Schlafplatz noch um seine Mahlzeiten Gedanken zu machen. Auch war Dingelstedt einige Stunden Fußmarsch von Worbis entfernt, sodass er sich hier sicher fühlte. Zumal er hoffte, dass Servatius und Barnabas in entgegengesetzter Richtung nach ihm suchen würden, da sie ursprünglich vorhatten, nach Nordhausen zu ziehen.
Immer öfter stellte Burghard fest, dass er weder an den Magier noch an seinen Lehrmeister dachte. Sein früheres Leben schien ihm in weite Ferne gerückt. Auch war sein eigenes Schicksal im Augenblick nebensächlich geworden, da seine Gedanken einzig dem jungen Clemens galten.
In aller Herrgottsfrühe machte sich Burghard auf den Weg in den Wald, um nach den Kräutern zu suchen. Die Pflanzen, die Friedrich von ihm verlangt hatte, riss er mitsamt der Wurzel aus und stopfte sie in einen Leinensack. Als er gerade mit Leibeskräften an einem hartnäckigen Kraut zog, konnte er Stimmen zwischen den Bäumen vernehmen. Auch roch es nach
süßlichem Tabak. Plötzlich wusste er, woher er diesen Geruch kannte. Von der Wüstung Hohkühle, als er die beiden Männer nachts belauscht hatte. Der Meuchelmörder war also in unmittelbarer Nähe. Die andere Stimme gehörte Münzbacher, dessen war sich der Mönch jetzt ebenfalls sicher. Vor Angst pochte sein Herz hart in seiner Brust, und er getraute sich nicht, sich zu bewegen.
Plötzlich herrschte wieder Stille im Wald. Nur das Zwitschern der Vögel und das Brummen der Insekten war zu hören. Erleichtert drehte sich Burghard um die eigene Achse, als er zu Tode erschrak: Wilhelm Münzbacher stand direkt vor ihm und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen feindselig an.
»Du bist ja noch immer in Dingelstedt. Hatte ich dir elendem Bettler nicht befohlen zu verschwinden?«
Ängstlich räusperte sich der junge Mönch und erwiderte: »Nein! Ihr hattet mich nur nicht mehr in Eurem Haus sehen wollen …«
Plötzlich riss Münzbacher dem Franziskaner den Leinensack aus der Hand und leerte den Inhalt vor ihn auf den Waldboden.
»Ist das dein Mittagsmahl?«, fragte er zynisch. Burghards Gesicht wurde vor Wut feuerrot. Am liebsten hätte er diesem aufgeblasenen Menschen gesagt, was er von ihm hielt. Doch stattdessen antwortete er: »Ja, ich koche mir daraus eine schmackhafte Suppe. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr gern eine Schüssel abhaben, als Dankeschön für das Mahl, das Ihr mir gegeben habt.«
Münzbacher sah Burghard zornig an, als im Gebüsch ein Knacken zu hören war. Der Notar hielt für einen kurzen Moment inne, dann warf er dem Mönch missmutig den leeren Beutel vor die Füße und warnte ihn: »Geh mir besser aus dem Weg, Mönchlein! Sonst wird es dir schlecht ergehen!«
Daraufhin stapfte er durch das Gebüsch, und Burghard sah
ihm nach, bis Münzbacher im dichten Wald verschwunden war. Erst dann traute sich Burghard wieder durchzuatmen. Seine Beine zitterten, sodass er sich für einen Augenblick auf den Waldboden setzen musste. Doch das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb.
Nachdenklich ging Friedrich in seinem Zimmer auf und ab. Burghard und Karl waren bei ihm, da der alte Schildknecht verreist war und die Haushälterin ihre Schwester besuchte.
Der junge Mönch hatte den beiden gerade von dem Zusammentreffen mit Münzbacher berichtet und von seiner Vermutung, dass der Meuchelmörder ebenfalls in der Nähe gewesen war.
»Hätte ich gewusst, dass Münzbacher sich im Wald herumtreibt, dann wäre ich zu Anna gegangen. Dieser elende Mistkerl lässt mich nicht zu ihr, und die Köchin weicht meinen Fragen aus. Wahrscheinlich
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