Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Grunde sieht auf dieser Seite der Werra doch alles genau gleich aus wie auf der anderen. Sogar die Menschen sind die gleichen …«
Wütend hatte Franziska mit dem Fuß aufgestampft und die Hände in die Hüften gestemmt. »Wie kannst du die Eichsfelder mit anderen Menschen gleichsetzen? Dass sie etwas Besonderes sind, siehst du doch wohl an mir!«
Das Zucken um Johanns Mund verriet ihr, dass er an sich halten musste, um nicht zu lachen. Aber dann hatte er es doch getan und sie an sich gezogen. Ihre Wut war schnell verraucht, und liebevoll hatte sie sich an ihn geschmiegt.
»Johann, im Ernst, ich möchte nicht fort von hier. Die hügeligen Wälder, unsere Burgen und das Ohmgebirge. Hier fühle ich mich zu Hause, und hier sollen unsere Kinder aufwachsen. Das Eichsfeld ist nicht irgendein Landstrich. Es ist meine Heimat, und nirgendwo sonst möchte ich sein.«
»Ach, Franziska, wenn dir so viel daran liegt, dann werden wir bleiben«, hatte Johann seufzend nachgegeben.
Lärm schreckte die Besucher der Kapelle auf und veranlasste sie, nach draußen zu gehen.
Vor der Pilgerstätte befand sich ein Dutzend Reiter. Ihrer Kleidung und dem prachtvollen Zaumzeug ihrer Pferde nach zu schließen, muss es sich wohl um Adelige handeln, dachte
Franziska, als sie die Reiter erblickte. Einer der Umstehenden fragte: »Ist das da nicht Heiderich von Hanstein?« Die meisten zuckten mit den Achseln, als ein anderer erwiderte: »Ja, du hast Recht, das ist einer der Söhne von Hansteins auf Wiesenfeld. Und der daneben ist Stoffel von Harstall.«
»Und der auf dem Rappen, das ist einer von den Keudel zu Schwebda … Christoph mit erstem Namen.«
»Die sind doch alle unkatholisch! Was wollen sie dann auf dem Hülfensberg?«
Die Reiter brachen in schallendes Gelächter aus, als sie hörten, was die Leute sagten, und sahen, dass die Furcht ihnen ins Gesicht geschrieben stand. Ihr Benehmen war alles andere als adelig. Sie machten sich einen Spaß daraus, lauthals über katholische Bräuche und fromme Pfaffen zu spotten. Rücksichtslos ritten sie dann durch die Pilgerscharen und beschädigten mutwillig den Kramladen eines Händlers aus Eschwege.
Franziska suchte ängstlich nach Johann. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie die Reiter absaßen und die Waren des Eschweger Krämers verwüsteten. Dann entdeckte sie Johann und lief eilends zu ihm.
Nun versuchten einige mutige Männer, den wütenden Reitern Einhalt zu gebieten. Unter ihnen war auch Servatius, der mit freundlichen Worten auf sie einsprach.
Katharina war hinter Burghard aus der Kapelle gelaufen und versteckte sich, ohne dass er es bemerkte, hinter seinem Rücken. Vor Aufregung hatte der junge Mönch vergessen, seinen Hut wieder aufzusetzen. Als Katharina die Tonsur sah, starrte sie wie gebannt auf Burghards Schädel.
›Ist das etwa auch ein Mönch?‹, dachte sie und achtete nicht mehr auf das Geschehen um sie herum. Schließlich tippte sie mit dem Finger auf seine Schulter. Burghard wandte den Kopf.
»Entschuldige, aber bist du ein Mönch?«, fragte sie ohne Umschweife. Erschrocken sah er sie an und stotterte: »Wie kommst du darauf?«
»Weil du eine Tonsur hast – zwar nicht so sauber ausgeschoren wie bei meinem Mönch …«
»Bei deinem Mönch?«, fragte Burghard verwirrt. Das Mädchen nickte.
»Er heißt Servatius und hat mich zusammen mit Barnabas, dem Magier, hierher begleitet«, erklärte Katharina arglos und blickte suchend umher.
»Sieh – da drüben ist er.«
Schon rief sie seinen Namen und hob die Hand, um dem Franziskaner zuzuwinken. Der versuchte gerade, auf einen der Unruhestifter besänftigend einzureden, als er Katharina rufen hörte. Servatius nickte ihr zu und wollte sich wieder den Reitern zuwenden, als er den Bauern bemerkte, der neben ihr stand und hastig seinen Hut aufsetzte. Der Bursche kam ihm bekannt vor. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, wurde Servatius von einem der adeligen Raufbolde abgelenkt, der den Hülfensberg als »Teufelshaus« beschimpfte.
Burghard versuchte indes so unauffällig, wie es seine zitternden Beine zuließen, den Kirchplatz zu verlassen. Weil sich Katharina für den Tumult nicht interessierte, lief sie hinter ihm her, um eine Antwort auf ihre Frage zu erhalten. Als sie ihn eingeholt hatte, redete sie eindringlich auf ihn ein. Ob er nicht Bruder Servatius kennenlernen wolle, fragte sie. Da war es mit Burghards Geduld vorbei.
»Ich will weder dich noch deinen Mönch sehen! Lass mich in Ruhe,
Weitere Kostenlose Bücher