Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Franziska eine Gesprächspartnerin gefunden hatte, war ihre Niedergeschlagenheit einer Leichtigkeit gewichen. Zwar ernährte sie sich fast ausschließlich von Nüssen und noch immer lösten viele Gerüche schnell einen Brechreiz aus. Aber sie schien sich mit ihrem Zustand angefreundet zu haben. Sicherlich hatte auch der Kräutersud, den sie sich täglich zweimal aufbrühte, geholfen, ihre Morgenübelkeit zu lindern.
Das Waldstück, in dem sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, war breit und verlief entlang des Flusses. Während Katharina unter dem Laub nach Nüssen suchte, pflückte Franziska am Waldesrand Holunderblüten von den Büschen. Sie wollte einen schmackhaften Tee kochen, weil sie es leid war, immer nur Wasser zu trinken.
Unbewusst hatte sich Franziska etwas aus dem schützenden Wald hinausgewagt, als sie plötzlich fremde Stimmen hörte. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich in eine tiefe Mulde flüchten, die die Wurzeln eines umgestürzten Baumes hinterlassen hatten. Dann kamen auch schon drei Knechte der Bauernmiliz des Weges, und die junge Frau hielt den Atem an. Die Burschen blieben keine zwanzig Schritte von der Mulde entfernt auf dem schmalen Wiesenstreifen zwischen dem Waldstück und der Werra stehen. Deutlich konnte Franziska die Gewehre der Männer erkennen. Ihr Herz schlug laut. Was hatten die drei Knechte hier zu suchen? Die nächste Ortschaft war fast eine
halbe Stunde entfernt. Hatten sie Johann, Clemens und Burghard vielleicht schon entdeckt und suchten nun nach ihr und Katharina? Wieder lugte Franziska vorsichtig aus ihrem Versteck, um nach Katharina Ausschau zu halten. Doch zum Glück war von dem Mädchen weder etwas zu sehen noch zu hören.
Angestrengt lauschte die junge Frau. Die Wortfetzen, die sie vernehmen konnte, ergaben keinen Sinn. Einer der Burschen sagte: »Wir sind wahre Glückskinder, dass wir diesen Abschnitt bewachen müssen.« Ein anderer erwiderte lachend: »Dich juckt es wohl?« Der dritte stammelte: »Ich gehe aber nicht zuletzt!« Nun lachten alle drei.
Franziska lauschte angestrengt, doch da das Gespräch immer wieder von lautem Lachen unterbrochen war, konnte sie nicht alles verstehen. Nur einzelne Wörter wie »Dunkelheit« oder »Prachtweib« drangen an ihr Ohr. Plötzlich knackte es hinter ihr. Erschrocken schaute sich Franziska um und sah Katharina auf sich zukommen. Diese wollte schon den Mund öffnen, als Franziska ihr gerade noch rechtzeitig ein Zeichen geben konnte, still zu sein. Sie deutete auf die drei Burschen, deren Hüte Katharina erst jetzt wahrnahm. Auf allen vieren kroch das Mädchen zurück in den dichten Wald und versteckte sich hinter einem breiten Baumstamm. Von dort konnte es zwar nicht die Miliz, aber Franziska sehen. Die spitzte vorsichtig zwischen den dicken Wurzeln des umgestürzten Baumes hindurch und beobachtete die Männer.
Die Knechte rührten sich nicht von der Stelle, als warteten sie auf jemanden. Erst als es dunkel wurde, setzten sich die Burschen in Bewegung.
Von ihrem Versteck aus konnte Franziska erkennen, wohin sie gingen.
Eine kleine Kate stand am Waldesrand, verdeckt von einer Trauerweide. Zwei der Knechte waren bereits in der Hütte verschwunden, und der dritte wurde von einer Frau laut beschimpft.
Franziska kniff die Augen zu kleinen Sehschlitzen zusammen, weil sie wissen wollte, warum die Frau so zeterte. Erst jetzt erkannte Franziska etwas, das sie in helle Aufregung versetzte.
Dann kroch sie langsam zu Katharina, die noch immer hinter dem dicken Baumstumpf kauerte, und berichtete ihr atemlos von dem, was sie soeben gesehen hatte.
Zurück im Lager erzählte Franziska mit zitternder Stimme den drei Männern, was sie am Ufer der Werra beobachtet hatte.
Dabei konnte sie kaum ruhig sitzen bleiben. Immer wieder sprang sie auf, um einige Schritte auf und ab zu gehen.
Mit offenen Mündern hatten Burghard, Clemens und Johann gelauscht.
»… und es ist direkt am Haus angebunden?«
Das Mädchen nickte.
»Glaubst du, dass die Fischerin allein dort lebt?«
»Ich weiß es nicht, Clemens. Wir sollten die Hütte zu jeder Tages- und Nachtzeit beobachten – erst dann können wir sichergehen.«
Kurze Zeit später zeigte Franziska Johann, Clemens und Burghard die Mulde, in der sie sich versteckt hatte.
Johann hielt als Erster Wache, um herauszufinden, wann die Soldaten der Bauernmiliz die Kate wieder verlassen würden. Im Morgengrauen wollte dann Clemens übernehmen, und tagsüber sollten die beiden Frauen
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