Das Hexenmal: Roman (German Edition)
können.
Kapitel 46
Mittlerweile wurde sogar im Hessenland jedes Dorf entlang der Grenze zum Eichsfeld nach dem Mörder Heiderich von Hansteins durchsucht. Auf Drängen der Familie des Toten hatte der Vogt mehr Soldaten eingesetzt. Die von Hansteins hatten gedroht, sich an Kurfürst Johann Schweickhard und seine Ritterschaft zu wenden, sollte der Mörder nicht bald gefasst sein. Bislang aber war jede Spur im Sande verlaufen.
Da die Knechte in Zugzwang waren, gingen sie bei den Befragungen rücksichtslos vor, und manch unbescholtener Bürger wurde eingesperrt.
Rasch verbreiteten sich Angst und Schrecken unter den Menschen, und viele wagten nicht, ihre vertraute Umgebung zu verlassen.
Derweil hatten die fünf Flüchtigen beschlossen, ihre Weiterreise gemeinsam zu wagen. Zwar fiele eine Schar junger Leute überall auf, aber man würde sie kaum eines gemeinen Mordes verdächtigen, zumal zwei Frauen der Gruppe angehörten.
Trotz aller Freude und Zuversicht, war Furcht ihr ständiger Begleiter. Nicht nur die Bauernmiliz saß ihnen im Nacken, sondern auch die Angst quälte sie, ihrem Schicksal letztlich nicht entkommen zu können. Seit den Zwischenfällen bei Eschwege und Allendorf war ihnen der Schreck nicht mehr aus den Gliedern gewichen.
In der Stadt Eschwege, die ebenfalls an der Werra lag, hatten sie versucht, auf ein Schiff zu gelangen. Doch dann hörten sie, dass in der Stadt ein Hexenprozess stattfinden sollte. Der Rat der Stadt, so wurde ihnen berichtet, warte nur noch auf einen Heiler, den man hinzuziehen wolle, um die böse Frau, die jede Schuld von sich wies, zu überführen.
Nicht nur Franziska und Johann waren blass geworden, auch Burghard wechselte die Gesichtsfarbe. Hastig verließen die Flüchtigen das Städtchen und machten sich auf den Weg nach Allendorf, um dort über eine Brücke ins Hessenland zu gelangen.
Dort angekommen hatten sich die fünf wieder einmal in einen Menschenstrom eingereiht, der durch das Stadttor wollte. Da hörte Burghard, wie einer der Milizknechte einen anderen begrüßte.
Der junge Mönch traute seinen Ohren kaum. Laut und deutlich vernahm er, wie der Knecht in unmittelbarer Nähe rief: »Adam Hastenteufel! Ich dachte, dass es dich erwischt hätte und du in der Hölle schmoren würdest!«
Die Antwort kam gedämpft: »Eckbert Frischbier, du hast wohl auch deine Seele verkauft …«
Burghard hatte keine Zweifel. Diese Stimme gehörte dem Mann aus dem Wald – der Meuchelmörder stand nur wenige Schritte hinter ihnen. Erstarrt blickte Burghard nach vorne. Er wagte nicht, sich nach Hastenteufel umzudrehen. Seine Knie zitterten, sein Mund wurde trocken und kleine Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn.
Er traute sich nicht, Clemens ein Zeichen zu geben. Als er sah, wie der Freund langsam seine Kapuze tiefer ins Gesicht zog, wusste Burghard, dass der junge Arnold den Namen ebenfalls verstanden hatte. Vorsichtig gebot er Katharina, Franziska und Johann, ihnen unauffällig zu folgen. Ohne Hast schritten alle fünf durch das Tor, um durch ein anderes die Stadt rasch wieder zu verlassen. Sie blickten erst zurück, als sie sicher sein konnten, dass ihnen niemand gefolgt war.
Von da an mieden sie Menschenansammlungen und öffentliche Wege.
Es war kurz vor der Abenddämmerung. Die fünf hatten sich im dichten Gehölz einen Schlafplatz gesucht, als Clemens erklärte: »Das Wandern wird mit jedem Schritt gefährlicher. Außerdem kommen wir nur langsam voran. Wir müssen einen Kahn finden, der uns schnellstens fort aus dieser Gegend bringt.«
Burghard und Johann nickten zustimmend.
»Glaubst du, dass man uns einfach so mitnehmen wird?«, fragte Katharina zweifelnd.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Auf jeden Fall wird es Geld kosten.«
»Ich habe keines«, erklärte Burghard leise.
»Mach dir keine Sorgen, mein Freund!«, antwortete Johann. »Keiner wird zurückgelassen. Das verspreche ich.«
»Warum durchschwimmen wir den Fluss nicht?«, schlug der Mönch schließlich vor. Katharina und Johann schüttelten den Kopf.
»Die Werra ist zu breit. Und Franziska kann nicht schwimmen!«, wies Johann den Vorschlag zurück.
Auch Katharina widersprach: »Ich kann mich nur über Wasser halten, wenn ich weiß, dass meine Füße auf Grund stehen können. Sonst bekomme ich Angst.«
Die Runde blieb eine Weile stumm, bis Katharina und Franziska sich aufmachten, um im Wald nach Nüssen und anderen Früchten zu suchen. Johann blickte seiner Frau lächelnd hinterher. Seit
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