Das Hexenmal: Roman (German Edition)
gedenkst du zu verreisen?«
»Morgen früh. Hättest du Lust, mich zu begleiten?«
»Jetzt reicht es! Wir haben so viel Arbeit, dass ich kaum zur Ruhe komme, und die Herrschaften gedenken eine Reise zu unternehmen!«
»Jetzt übertreib nicht, Schwager. Dass du dich nicht überarbeitest, ist jedem bestens bekannt. Und was willst du unternehmen, wenn auch ich Lust hätte, meine Base zu besuchen?«, fragte Clemens seelenruhig und konnte sich das Lachen kaum verkneifen.
Münzbacher wusste, dass er den jungen Mann von solchen Plänen nicht abhalten konnte. Nirgendwo stand geschrieben, dass Clemens auf dem Gestüt bleiben musste. Wütend warf er den Rest des Morgengebäcks auf den Tisch, stieß den Stuhl nach hinten und verließ den Raum.
Im Hof ballte der Notar die Fäuste. Wie gern würde er seine Frau samt ihrem Bruder davonjagen oder noch besser, ihnen die Gurgel umdrehen. Dann wäre endlich das Gestüt sein Eigen, und er bräuchte sich über seine Zukunft nie wieder Gedanken zu machen. Wie er die beiden verachtete!
Damals, vor mehr als zwei Jahren, als er alles plante, hätte er
es nie für möglich gehalten, dass er die Kontrolle über die Situation oder über sich selbst verlieren würde. In der nüchternen Planung war alles einfach erschienen. Zumal er stets zwei Schritte vorausdachte und an Sicherheit gewann. Nie hätte er mit Gegenwehr der Geschwister gerechnet. So, wie die Eltern ihre Kinder beschrieben und auch so, wie er die beiden kennengelernt hatte, schienen sie ihm leichte Beute. Nun hatte sich das Blatt gewendet, und er wusste nicht, warum sein sorgfältig erdachter Plan nicht aufgegangen war.
›Wilhelm, du musst nachdenken‹, ermahnte er sich. ›Es wäre doch gelacht, wenn dir nichts einfallen würde.‹
Nach einigen Minuten hellte sich seine finstere Miene auf. Vielleicht war es von Vorteil, wenn die Geschwister für ein paar Tage verreisen würden. In dieser Zeit könnte er sich in Ruhe den anderen unangenehmen Angelegenheit widmen, für die er auch eine Lösung finden musste. Was sollte er nur mit der Wäscherin machen?
›Vielleicht‹, dachte er, ›kann ich sie mit Geld ködern, damit sie verschwindet. Schließlich ist jeder Mensch käuflich.‹
Münzbacher war es egal, ob sie das Balg behalten wollte oder zu einer Kurpfuscherin ging. Hauptsache, das Frauenzimmer verschwand aus seinem Leben. Das war ihm eine Lehre gewesen. Von jetzt an würde er lieber in ein Hurenhaus gehen.
»Bei den käuflichen Weibern passiert so etwas nicht«, grummelte er vor sich hin. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Wie kam die Wäscherin nur auf den Gedanken, dass er sie zu sich nehmen würde? Natürlich hatte er ihr in seiner Geilheit Versprechungen ins Ohr geflüstert. Doch wie konnte sie so dumm sein und seinen Worten Glauben schenken? Ein studierter Mann und eine Wäscherin. Wo käme man da hin?
Wieder schüttelte er ungläubig den Kopf über so viel Unverstand. Der Notar wäre auch nie auf die Idee gekommen, Anna Arnold zu heiraten, wenn ihn nicht die Spielschulden und die
Schuldeneintreiber dazu gezwungen hätten. Als er schon mit dem Rücken an der Wand gestanden hatte, wurde ihm ein Leben in Saus und Braus auf dem goldenen Tablett serviert. Er musste dem Schicksal nur etwas nachhelfen.
Münzbacher blieb für einen Moment stehen. ›Wilhelm, sei nicht ungeduldig, schimpfte er mit sich selbst. Im Grunde läuft alles so, wie es soll.‹
Der Notar beruhigte sich langsam wieder. Als er den jungen Knecht aus der Schmiede kommen sah, rief er ihm zu: »Ich sehe nach den Koppelzäunen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schlug er den Weg zur Weide ein. Hinter der nächsten Biegung gabelte sich der Feldweg.
Münzbacher überlegte kurz. Warum sollte er sein Geld für Huren ausgeben, solange er es noch umsonst bekommen konnte? Bis er eine Lösung gefunden hatte, sollte ihm Marga ruhig weiter ihr dralles Hinterteil entgegenstrecken!
Vergnügt rieb er die Hände aneinander und schlug den Pfad zum Bach ein, wo er die Wäscherin vermutete.
»Wirst du mich begleiten, Clemens?«, fragte Anna und biss hungrig in das Gebäck, auf das sie einen Klecks Honig gestrichen hatte.
»Nein!«, war die knappe Antwort des Bruders. Erstaunt blickte Anna ihn an und sah, wie er schadenfroh in sich hineinlächelte.
»Ich wollte deinen Gatten etwas ärgern. Ich finde es lustig, wie er innerhalb kürzester Zeit rot anläuft. Das geschieht immer dann, wenn er sich nicht mehr zu helfen weiß.«
Anna ignorierte die Bemerkung
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