Das Hexenmal: Roman (German Edition)
nicht gerechnet. So lange war sie ihm ausgewichen, hatte seine Zuneigung verschmäht, und plötzlich vor zwei Wochen … Ach, er war so glücklich! Heiraten würde er sie! Jawohl, das würde er. Deshalb musste er seinen Onkel um Rat bitten, wie er seine Eltern überzeugen konnte, ihm die Erlaubnis zur Hochzeit zu geben. Leicht würde es nicht werden. Schließlich war Franziska nur eine einfache Magd, und als Sohn eines Großbauern heiratete man für gewöhnlich keine Frau, die nicht aus ähnlich reichem Haus stammte. Auch nicht, wenn man selbst so hart arbeiten musste wie ein Knecht. Denn Johanns Vater war überzeugt, dass nur harte Arbeit seinen Sohn zu einem echten Mann machen konnte, und wollte ihm von klein an zeigen, dass
man im Leben nichts geschenkt bekam. Nur ein Kerl, der fest zupacken konnte, war in den Augen des Vaters ein vollwertiger Mann. Schließlich hatte Bonner in der eigenen Familie erlebt, was aus einem verwöhnten Burschen werden konnte und wie schnell sich alle Macht und Geld auflösten, wenn derjenige, der die Verantwortung trug, ein Versager war. Nur weil Bonner damals hart durchgegriffen und seinem älteren Bruder Hof und Grund weggenommen hatte, war die Familie vor dem Ruin bewahrt worden. Bonner kannte keine Gnade – gegenüber sich selbst nicht und auch nicht gegenüber seinem Sohn. Lob gab es nie, Schelte und Schläge umso mehr.
Doch auch die Mutter würde über die Schwiegertochter wenig begeistert sein. ›O je‹, dachte Johann, ›ich kann mir ihre finstere Miene gut vorstellen.‹
»Eine Dienstmagd«, würde sie entsetzt ausrufen, »als ob wir dies nötig hätten!« Und wenn sie dann erst alles über Franziskas Herkunft erfahren hätte, wäre die Schmach groß. Doch Johann war es einerlei, wo Franziska ihre Wurzeln hatte. Oder wie sein Vater es ausdrücken würde: »aus welchem Stall sie kam«.
Johann liebte das Mädchen, und das allein zählte für ihn. Außerdem ging es niemanden etwas an, und niemand musste etwas von Franziskas einfacher Herkunft erfahren, schließlich stammte sie nicht aus der Gegend. Vor Monaten war Franziska eines Nachts von der anderen Seite des Ohmgebirges fortgegangen. Ihr Vater, ein landloser Bauer, trug das wenige Geld, das er auf dem Feld verdiente, direkt ins Wirtshaus. Nur weil Franziskas Mutter Flickwäsche ausbesserte und dafür ein paar Pfennige bekam, war die neunköpfige Familie noch nicht verhungert. Unzufriedenheit, stetiger Hunger und Schläge begleiteten Franziska von Geburt an, doch sie erwartete mehr von ihrem Leben. Und er, Johann, wollte es ihr bieten. Er konnte sich keine bessere Frau vorstellen. Zusammen würden sie den elterlichen Hof noch größer und noch reicher machen, sodass seine Eltern mit der
Wahl seiner Braut eines Tages zufrieden sein würden. Schließlich konnte Franziska anpacken, sah, wo Arbeit getan werden musste. Was nützte einem Jungherrn ein verwöhntes Töchterlein aus reichem Hause, das sich für Arbeit zu fein dünkte und die Dienstboten durch die Gegend scheuchte, anstatt selbst mitzuhelfen. Was sollte er mit einer Frau anfangen, die obendrein das Geld für unnützen Tand zum Fenster hinauswarf? Nein, Johann war fest davon überzeugt, dass Franziska wusste, wo ihre Kraft gebraucht wurde. Warum sollten seine Eltern eine solche Schwiegertochter ablehnen? Außer vielleicht … weil er schon von Kindesbeinen an Lisa, der Tochter vom Lehnsmann Raueisen aus Wehnde, versprochen war.
Johann stöhnte leise auf. Wie der Vater so die Tochter! Dieser weise Spruch passte wunderbar zu Lisa und ihrem Vater, dessen Vermögen aus Schweinen bestand. Fette Schweine, die seine Bauern für ihn züchteten. Kein anderes Nutzvieh passte zu Guntram Raueisen besser, ähnelte er doch selbst dem Borstenvieh. Weizenblonde Haare, die nach allen Richtungen abstanden. Kleine dunkle Knopfaugen, umrandet von hellen Wimpern und fast unsichtbaren Augenbrauen. Außerdem hatte er helle, schon fast weiße Haut, die voll rötlichen Ausschlags war, der ihn unentwegt zu jucken schien. An fast jedem Türrahmen, jeder Hauswand, jedem Baum oder anderen festen Gegenständen scheuerte er sich den Rücken und schloss dabei vor Wonne die kleinen Schweinsäuglein.
Beim Gedanken daran schüttelte es Johann. Und Lisa? Die Tochter war das Ebenbild des Vaters. Ihre Leibesfülle zeugte zwar von Reichtum, doch für Johann war sie einfach nur plump. Nein, auch wenn einige seiner Freunde ihn einen Trottel schelten würden. Lisa war wahrlich nicht die Frau, die er
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