Das Hexenmal: Roman (German Edition)
auf Heller und Pfennig Rechenschaft ablegen.
›Sämtliche Arbeit liegt auf meinen Schultern, und er streicht den Verdienst ein!‹, dachte sie verdrossen. Ihre Unzufriedenheit wuchs mit jedem Tag, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Hinzu kam das Gerücht, dass Kurfürst Johann Schweickert von Kronenburg die Herstellung der wertvollen Werrakeramik in Heiligenstadt verbieten wolle. Als Grund gab er an, dass die Werkstätten zu viel Holz für das Brennen der Keramik verbrauchten und so viele Berghänge bereits kahl geschlagen seien. Und das, wo doch alle Welt wusste, dass die Glashütten ebenfalls Holz benötigten und die Glasherstellung ganze Waldhänge verschlungen hatte! Sollte das Gerücht wirklich zutreffen, dann war das Einkommen der Jacobis in Gefahr, und es musste
auf dem schnellsten Weg mit dem Zunftmeister gesprochen und vielleicht sogar Geld in die Werkstatt investiert werden. Doch ihre Sorgen konnte Barbara nicht mit ihrem Mann besprechen, da es seinen Zustand nur verschlechtert hätte. So war sie gezwungen, die ganze Last allein zu tragen. Als sie auf dem Markt das erste Mal von dem Gerücht gehört hatte, wollte sie sofort mit Albert darüber reden, doch kurz darauf starb Silvia, und so hatte sich keine Gelegenheit ergeben, die unangenehmen Neuigkeiten zur Sprache zu bringen.
›Wenn alles wieder seinen gewohnten Lauf nimmt‹, hatte sie damals gedacht, ›werde ich es ihm erzählen.‹
Dazu kam es nicht, denn inzwischen war ihr Mann krank geworden, und Bosheit hatte von ihm Besitz ergriffen.
›Das Geld wird unter der Matratze verschimmeln‹, dachte sie wütend, ›und ich kann weiterhin Schüsseln und Tassen verkaufen. ‹
Katharina ahnte nichts von den Sorgen der Mutter. Sie fühlte sich missverstanden und alleingelassen. Schweigend ging sie zu Bett. Doch schon bald hörte sie, wie der dreijährige Mathias nach seiner toten Mutter wimmerte. Mitfühlend setzte sie sich an das Bett des Jungen und versuchte, ihn mit einem Schlaflied zu beruhigen.
So vergingen die Tage. Mutter und Tochter sprachen kaum noch miteinander. Zu sehr haderten beide mit ihrem eigenen Los.
Traurig erkannte Katharina, dass sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr nach ihren Schützlingen im Armenhaus gesehen hatte. Sie hoffte, das am kommenden Sonntag nachholen zu können, zumal sie schon seit Wochen keinen freien Tag mehr gehabt hatte.
Katharina trug ihren Wunsch der Mutter vor. Tatsächlich hätte Barbara der Tochter gern den freien Tag gewährt, doch sie musste sich um ihren kranken Mann kümmern und hatte
für die Enkelkinder keine Zeit. Das Mädchen wollte schon resigniert das Zimmer verlassen, als ihm ein Gedanke kam.
»Walburga Schmitt hat mir schon vor einiger Zeit angetragen, dass mich ihre Tochter Gudrun bei der Betreuung der Kinder unterstützen könne. Erlaubst du, dass ich sie frage?«
Barbara Jacobi dachte kurz über den Vorschlag nach. Gudrun Schmitt war ein nettes Mädchen, obwohl Barbara seine Mutter Walburga nicht sonderlich schätzte, da diese ihre Nase nur zu gern in anderer Leute Angelegenheiten steckte. Barbara Jacobi wollte deshalb mit Walburga Schmitt so wenig zu tun haben wie möglich. Doch als sie den bittenden Blick der Tochter sah, antwortete sie versöhnlich: »Gut, Katharina. Frage Gudrun, ob sie die Kinder heute hüten möchte. Ich denke, du hast etwas Erholung verdient. Auch wenn ich einen freien Tag an deiner Stelle anders verbringen würde als bei den Tunichtguten im Armenhaus.«
Katharina stutzte kurz. Was hatte ihre Mutter plötzlich gegen diese armen Menschen? Hörte sie da etwa Ottos Meinung heraus? Doch das Mädchen war so glücklich, dass es nicht weiter darüber nachdachte und rasch zu den Schmitts lief. Walburga Schmitt war erfreut, dass ihre Tochter helfen konnte.
»Fritzchen ist bei seiner Amme, sodass nur Hannes und Mathias zu beaufsichtigen wären«, erklärte Katharina.
»Das schaffe ich. Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Gudrun sie. Walburga hatte dem Gespräch der Mädchen interessiert gelauscht und fragte nun wie nebenbei: »Wie geht es deinem Schwager Otto? Seit der Beerdigung seiner Frau, deiner Schwester, Gott sei ihrer Seele gnädig, habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Er ist wohlauf«, antwortete das Mädchen kurz, um dann kichernd hinzuzufügen: »Otto sitzt um diese Zeit meistens im Wirtshaus und kommt erst, wenn er das Essen auf dem Tisch riecht.« Walburga betrachtete Katharina eingehender. »Du bist sehr dünn geworden. Geht es dir
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