Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Menschenmenge endlich, und Ruhe kehrte auf dem Feld ein.
Servatius hatte ein Feuer entzündet und einen Topf mit Suppe über die Flammen gehängt. Würziger Geruch breitete sich aus.
Barnabas war bereits auf dem Weg nach Worbis zu Ohren gekommen, dass in dem Städtchen eine Frau der Hexerei bezichtigt wurde, sich aber niemand getraute, sie öffentlich anzuklagen. Der Magier wusste, was das für ihn bedeutete, und hörte schon das Klimpern der Münzen in seinem Beutel. Er musste nur warten, bis man ihn aufsuchen würde.
Dann, als es dunkel wurde und die Leute in ihren Häusern verschwanden, betrat wie erwartet ein Mann das Zelt. Der Magier hatte Mühe, nicht laut aufzulachen.
›Überall sind sie gleich‹, dachte er bei sich.
Sichtlich unwohl nestelte der Mann an seinem Hemd und wischte sich mit einem Tuch über das schweißnasse Gesicht. Der Hut schien ihn zu drücken, da er sich immer wieder über die Stirn rieb.
Barnabas kniff die Augen zusammen und musterte den Unbekannten.
›Er braucht einen Aderlass‹, dachte er bei sich, sagte aber kein Wort.
Stattdessen sah er den Mann fragend an. Der räusperte sich und kratzte sich am Hals.
»Ihr seid Barnabas, der Magier?«, fragte er schließlich. Barnabas nickte, blieb aber weiter stumm. Er genoss die Situation, gab sie ihm doch das Gefühl der Macht über den anderen.
»Mein Name ist Löwenberg, Ludwig Löwenberg.«
Selten hatte Barnabas jemanden getroffen, dessen Namen so wenig zu seiner Erscheinung passte, wie es bei diesem Mann der Fall war. Da die Dämmerung bereits hereingebrochen war und der Schein des Feuers nur Schatten auf das Gesicht des Magiers warf, konnte Ludwig Löwenberg nicht sehen, wie sehr dies Barnabas amüsierte.
Doch er schwieg weiter beharrlich. Löwenberg trat von einem Bein auf das andere und nahm den Hut vom Kopf, um sich mit dem Tuch das Haupt zu tupfen.
Da den Magier Hunger plagte, machte er dem Schauspiel ein Ende und fragte nun geradeheraus: »Was wollt Ihr von mir, Ludwig Löwenberg?«
Löwenberg atmete hörbar aus, froh, dass er sein Anliegen endlich vorbringen konnte. Mit verhaltener Stimme murmelte er: »Man sagt, dass Ihr Hexen …«
»Ich kann Euch kaum verstehen! Was ist mit Eurer Stimme?«
Wieder räusperte sich Löwenberg und fragte dann etwas lauter: »Ist es wahr, dass Ihr Hexen erkennen könnt?«
»So sagt man!«, war die knappe Antwort des Magiers.
Wieder herrschte einige Sekunden Schweigen zwischen den Männern.
»Ich bin hungrig, guter Mann. Wenn das alles war, was Ihr wissen wolltet, so lasst mich jetzt mein Abendmahl zu mir nehmen.«
Barnabas machte Anstalten aufzustehen, als der Mann wieder zu sprechen anfing: »Wir haben eine böse Frau in unserer Stadt, und einige sind überzeugt, dass sie eine Hexe ist. Allerdings fehlt uns ein eindeutiger Beweis, um sie anzuklagen. Nun wollten wir fragen, ob Ihr sie Euch einmal ansehen … und die beiden Mönche mitbringen könntet … wegen der Beichte. Unser Herr Pastor ist erst vor kurzem verstorben …«
»Was zahlt Ihr mir dafür?«, unterbrach der Magier den stammelnden Mann. Der hatte die Frage erwartet, da er sofort eine Summe nannte. Barnabas antwortete nicht, schien nachzudenken und forderte dann: »Das Doppelte, und ich werde morgen um die Mittagszeit in Eurer Amtsstube vorbeischauen. Ihr seid doch der Amtmann?«
Löwenberg nickte, wagte nichts zu entgegnen. Dann verbeugte er sich kurz und ging von dannen, erleichtert, das Zelt des Magiers hinter sich zu lassen.
Die beiden Franziskaner waren dem Gespräch stumm gefolgt.
Als der Amtmann außer Hörweite war, frohlockte Servatius: »Das ist ein gehöriges Sümmchen. Davon kann man eine lange Zeit gut leben.«
»So ist es!«, erklärte Barnabas. »Das ist ja auch der Sinn des Ganzen.«
Manchmal hatte Burghard das Gefühl, als sei Servatius dem Magier lästig. Der Ton, in dem er mit dem Mönch sprach, war schroff und ungehalten. Servatius schien das nicht zu stören, denn er blieb freundlich und gleichgültig. Auch jetzt schien er sich nur dafür zu interessieren, wie viel Geld für ihn abfallen würde, und nahm dem Magier den Ton nicht übel. Burghard war entsetzt über seinen Glaubensbruder. Hatte Servatius die Lehren des heiligen Franz von Assisi vergessen? Dass man kein Geld oder sonstige Güter sein Eigen nennen durfte? Servatius hingegen bereicherte sich an armen, geschundenen Kreaturen, nahm ihnen sogar die Beichte nur gegen Geld ab. Der Junge konnte die Gier in den Augen des Bruders nicht
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