Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Wasser. Trinkt ihn jeden Monat drei Wochen lang. Und dieser Rat ist umsonst.«
»Das hilft?«
Der Magier nickte, und das Gesicht des Amtmannes entspannte sich. Barnabas hatte seinen ersten Verbündeten gewonnen. Ruhig schaute er die drei anderen Männer an, konnte aber bei ihnen keine Krankheitssymptome erkennen. Schließlich blickte er starr in ihre Gesichter, bevor er den Amtmann erneut ansah.
»Herr Amtmann Löwenberg, Ihr habt mich und meine Begleiter hierherbestellt, weil ich eine Hexe überführen soll. Wo ist das Weib?«
Bevor Löwenberg antworten konnte, übernahm Magister Behrhoff wieder das Wort: »Ich teilte Euch bereits mit, dass wir Eure Dienste nicht benötigen.«
Zweifelnd sah Barnabas den Mann an. Nur Burghard atmete erleichtert aus und dankte still seinem Schöpfer.
»Das glaube ich nicht!«, war des Magiers Antwort.
»Ach, und warum nicht? Müssten wir, die wir hier leben, es nicht besser wissen?«, meldete sich Richter Kempten zu Wort, doch seiner Gestik war Unbehagen anzumerken.
All dies registrierte der Magier mit scharfem Verstand, um dem Magister erneut zu widersprechen: »Dass es in Worbis eine Hexe geben soll, ist bereits über die Stadtmauern hinausgetragen worden …«
»Ihr versteht nicht«, wurde der Magier leise und höflich vom Magister unterbrochen. »Die Hexe benötigt nicht Eure Hilfe, sondern die eines angesehenen Arztes. Man braucht Euch hier in Worbis nicht – und wahrscheinlich auch nirgendwo sonst.«
Der Richter und der Amtmann starrten stumm und beschämt aneinander vorbei. Nur der Theologe, ein stattlicher Mann mit einer sehr geraden Nase und hohen Wangenknochen, sah zu
Barnabas auf und schien gespannt darauf zu warten, wie der sich verhielt.
Der Magister hielt Barnabas’ Blick stand und sprach im Ton eines Lehrmeisters: »Ist Euch noch nie in den Sinn gekommen, dass unter der Folter jeder alles gestehen wird? Hexenprozesse, die auf der Folter aufbauen, sind in sich falsch! Der von mir hochgeschätzte Adam Tanner sagt, dass Geständnisse unter der Folter keine Begründung für einen Urteilsspruch sein dürfen. Eine verlässliche Suche nach konkreten Tatmerkmalen und glaubwürdigen Zeugen findet in Hexenprozessen nicht statt, also sind sie Unrecht.«
»So etwas Dummes habe ich schon lange nicht mehr gehört.«
»Nun«, unterbrach Behrhoff ihn spitz, »das habe ich von solch einem Menschen wie Euch auch nicht anders erwartet. Dazu muss man schon etwas mehr können als … Hokuspokus.«
Löwenberg, Kempten und der schweigsame Theologe sogen scharf die Luft ein. Der Amtmann betete im Stillen, dass diese Äußerung des Magisters kein Nachspiel haben würde. Nie und nimmer würde er sich getrauen, so etwas zu einem Magier zu sagen, jedenfalls nicht laut.
Burghard bekam von der angespannten Stimmung im Raum nichts mit, da ihm die Worte des Magisters durch den Kopf gingen. Diese Sichtweise der Dinge war ihm vollkommen neu, und auch von einem Adam Tanner hatte er nie zuvor gehört. Wenn es tatsächlich stimmen sollte, was der Magister behauptete, dann waren alle Hexenprozesse, die ihren Urteilsspruch auf unter der Folter erzwungene Aussagen gründeten, ungültig.
Der junge Mönch kam ins Grübeln. Er hatte niemals die Richtigkeit der Tortur angezweifelt, denn sein Wissen über Hexen war so beschränkt wie das der meisten Menschen. Zwar waren ihm die Schreie der Frauen unerträglich, und auch vom Anblick des
vielen Blutes wurde ihm übel. Aber die peinliche Befragung als die vorgeschriebene Art und Weise zur Überführung von bösen Frauen, die im Bund mit dem Teufel waren, hatte er nie in Frage gestellt. Doch Burghard verwarf seine Zweifel rasch wieder. Dieser Magister Behrhoff musste ein Scharlatan sein, denn schließlich genehmigte die Gesetzgebung der »Carolina« die Folter bei Hexenverhören ja! Was wiederum bestätigte, dass die Tortur richtig war, da man diesen Abschnitt sonst nicht formuliert hätte. Zufrieden mit seiner eigenen Erklärung widmete Burghard seine Aufmerksamkeit wieder den Männern im Amtsraum.
Barnabas lächelte zunächst gequält, dann sah er den Magister scharf an und sprach: »Nun, so einfach ist das nicht, verehrter Herr Magister Behrhoff. Es gibt schließlich auch Frauen, die sich selbst als Hexe anklagen. Die haben also nicht unter der Tortur gestanden, und somit stimmt Eure Vermutung in diesem Fall nicht …«
»In diesem Fall will ich Ihnen die Ansicht des Hofarztes des Herzogs von Jülich-Kleve wiedergeben. Doktor Weyer
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