Das Hexenmal: Roman (German Edition)
murmelte er.
Erleichtert atmete Lambrecht auf und dankte seinem Schöpfer erneut, dass sie nicht mehr umherirren mussten. Denn nun kannte er den weiteren Weg nach Bodenstein. Nur wenige hundert Schritte vor ihnen lag ein Pfad, dem sie nach rechts folgen mussten. Dieser würde sie an den unteren Rand des Ohmgebirges bringen. Dort musste das Pferd dann die »Steile Trift« erklimmen, und danach war es nicht mehr weit bis zur Burg. Bald hätten sie es geschafft, und er ließ das Pferd wieder antraben.
Als das Klappern der Hufe auf dem Felsboden der Burg widerhallte, wachte Franziska auf. Schweigend sah sie an der Wehrburg empor. Sie nahm allen Mut zusammen und fragte Lamprecht leise nach dem Namen des Ortes, an den er sie gebracht hatte. Er erklärte ihr, dass sie Burg Bodenstein erreicht hatten und dass der Freiherr von Wintzingerode ihr Schutz gewähren würde. Der Pfarrer spürte, wie das Mädchen erschrocken einatmete, doch es sagte kein Wort mehr. Er führte das Pferd in den Innenhof der Burg und half Franziska beim Absitzen. An den
Mauern waren Fackeln befestigt und erhellten das Anwesen. Blass und mit großen Augen sah sich Franziska um. Eine Hand hatte sie auf den Rücken des Pferdes gelegt, als suche sie Halt. Sie blickte an der Fassade des Wohngebäudes empor und konnte zwei Gesichter hinter einem der Fenster erkennen. Hastig sah sie zu Boden. Als sie den Blick wieder hob, waren die Gestalten hinter der Scheibe verschwunden. Fürsorglich legte der Pfarrer den Arm um das Mädchen.
»Komm, mein Kind. Man wird dich hier zwar nur im Verlies unterbringen können, aber die Burg ist der einzige Ort, an dem du sicher bist.«
Franziska nickte beklommen und folgte ihm in den Turm, unter dem der Kerker lag.
Kapitel 24
Kaum jemand hätte vermutet, dass es sich bei diesem fröhlichen Fest, bei dem das Bier in Strömen floss und erlesene Speisen den Gaumen des einfachen Volks erfreuten, um einen Leichenschmaus handelte.
So wie Clemens es seinem Schwager Wilhelm Münzbacher angedroht hatte, hatte er Heinrich ein anständiges Begräbnis ausgerichtet. Und dazu gehörte auch der Leichenschmaus, zu dem er alle Freunde und Bekannten seines väterlichen Freundes geladen hatte.
Bärbel, Heinrichs Tochter, saß mit rotverweinten Augen bei den Knechten und Mägden und konnte keinen Bissen anrühren. Der junge Arnold vermochte nachzuempfinden, wie sie sich fühlte, hatte doch auch er seinen eigenen Vater auf tragische Weise verloren. Aber die Frage, warum Heinrich so jämmerlich hatte sterben müssen, plagte ihn ebenso sehr wie Bärbel.
Ihm war keineswegs froh zumute. Nur zu gern wäre er aufgestanden und hinausgegangen, um mit seiner Trauer allein zu sein. Doch diesen Triumph wollte er seinem Schwager auf keinen Fall gönnen. Denn hätte Clemens die Tafel verlassen, wäre das für das Gesinde das Zeichen gewesen, ebenfalls aufzustehen und nach Hause zu gehen, und das Fest wäre beendet gewesen. Kein Bier würde mehr getrunken und keine Speisen mehr gegessen werden. Doch bei jedem Glas, das gefüllt wurde, erkannte Clemens den wachsenden Zorn in den Augen des Schwagers, der sich nach außen bemühte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Der junge Arnold saß am anderen Ende der Tafel und beobachtete Münzbacher aus den Augenwinkeln. Jedes Wort, jede Geste, die er von ihm erhaschen konnte, prägte er sich ein, hoffte er doch, dass der Schwager sich durch ein unbedachtes Wort oder eine flüchtige Geste verraten würde.
Denn Clemens war fest davon überzeugt, dass Münzbacher für den Tod des alten Knechts verantwortlich war. Zwar hatte er keine Beweise und nicht einmal ein Motiv, weshalb der Schwager so etwas tun sollte. Doch ein Verdacht hatte sich in seinem Kopf festgesetzt und ließ ihn nicht mehr los.
Alle anderen Anwesenden glaubten, es sei ein schrecklicher Unfall gewesen – Heinrich habe sich tragischerweise zur falschen Zeit am falschen Ort befunden.
Doch je länger Clemens über die Zufälle nachdachte, die zu Heinrichs Tod geführt haben sollten, desto mehr zweifelte er. Allerdings war Münzbacher ein gerissener Fuchs, der das Geschehen um ihn herum eher beobachtete und lieber die anderen sprechen ließ, bevor er selbst das Wort ergriff.
Clemens dachte an seine Schwester Anna, die noch in Erfurt weilte und von dem Unglück auf dem Gestüt nichts wusste. Auch sie würde erschüttert sein über den Tod des alten Knechts. Heinrich war schon vor der Geburt der Arnoldschen Kinder bei
ihrem Vater in Lohn und
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