Das Hexenrätsel
werden sehen.«
Er nickte. Dann stampfte er vor. Dieser Dr. Enkbach war in Hochform, und ich fragte mich, wie er es verkraften würde, wenn er plötzlich der blutjungen Mörderin gegenüberstand, die von ihrer Tat nicht einmal etwas wußte.
Typischer Stallgeruch empfing uns. Es roch nach Pferden, Heu und den Ausdünstungen der Tiere. Wir hörten das Wiehern und Schnauben, manchmal klirrte auch ein Huf gegen Stein, und Suko schob sich aus dem Dämmerlicht einer Ecke.
»Hier bin ich, John.«
Wir drehten uns.
Suko stand da und hielt das Mädchen an der Hand. Für die beiden hatte ich keinen Blick, sondern schaute nur Enkbach an. Der Mann blieb stehen, wischte sich über das Gesicht, bekam große Augen und verschluckte sich fast. »Das ist doch…«
»Gaby Schreiber, ja«, vollendete Bill Conolly.
»Aber… aber… wieso?«
»Wir fanden sie oben im Wald.«
»Die Mörderin!«
Bill und ich harten ihr nichts gesagt, Suko auch nicht. Als Gaby das Wort Mörderin hörte, zuckte sie zusammen. Ihre Augen wurden groß und das Gesicht noch blasser. »Mörderin?« hauchte sie.
»Ja, Sie haben doch…«
»Sie hat es, und sie hat es nicht!« unterbrach ich den deutschen Polizisten.
Dr. Enkbach fuhr zu mir herum. »Wieso? Ich habe deutliche Zeugenaussagen, daß die beiden…«
»Lassen Sie mich ausreden, Herr Enkbach«, unterbrach ich den Mann.
»Es ist so. Gaby Schreiber hat zwar die beiden Morde auf dem Gewissen, aber sie hat sie nicht bewußt verübt. Sie wußte bis jetzt nicht einmal, daß sie getötet hat, denn sie stand unter einem fremden Einfluß.«
Dr. Enkbach schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, gab er ehrlich zu.
»Sie war nicht Herr ihrer Sinne, als sie es tat.«
»Dann ist es Totschlag. Aber das müssen wir noch klären.«
»Auch kein Totschlag im eigentlichen Sinne des Wortes«, sagte ich. »Eine fremde Kraft hat sie zu dieser schrecklichen Tat getrieben. Es war eine dämonische Macht.«
»Das glauben Sie.«
»Es entspricht den Tatsachen«, erklärte Suko. »Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht glauben. Dieses Mädchen wird so behandelt wie…«
»Nein, nicht.«
Jetzt meldete sich auch Gaby Schreiber. Mit zitternder Stimme fragte sie:
»Was ist denn überhaupt passiert?« Es gab keinen Grund mehr, ihr die Wahrheit vorzuenthalten. Diese Aufgabe übernahmen Suko und ich. Wir wählten sehr schonende Worte. Dennoch wurde sie geschockt. Gaby stand dicht vor einem Schreikrampf. Ihr Gesicht verzerrte sich, und sie brach zusammen.
»Wir müssen einen Arzt holen!« sagte ich.
Bill Conolly rannte schon los.
Suko hatte das Mädchen aufgefangen. Dr. Enkbach schaute nachdenklich auf den Körper der jungen Mörderin. Seine Stirn hatte er in Falten gelegt. Wahrscheinlich begann er darüber nachzudenken, ob er richtig gehandelt hatte. »Sie scheint wirklich nichts davon gewußt zu haben«, meinte er schließlich.
»Wir sagten es Ihnen bereits.«
»Aber was sollen wir tun?«
»Da kann ich Ihnen auch nicht viel helfen«, antwortete ich. »Aber lassen Sie es sich gesagt sein, es ist nicht einfach, eine Lösung zu finden. Das Mädchen ist schuldig und trotzdem nicht schuldig. Finden Sie einen Kompromiß. Wenn es zu einer Verhandlung kommt, werden wir gern als Zeugen auftreten, und lassen Sie diese Verhandlung bitte unter Ausschluß der Öffentlichkeit ablaufen.«
»Wenn es geht…«
»Es muß gehen.«
»Auch jetzt keine Presse«, sagte Suko.
»Ja, ja…«
Der Arzt kam. Er nickte uns zu und untersuchte Gaby Schreiber. Als er fertig war, bekam sie eine Spritze. »Mehr kann ich für sie im Augenblick nicht tun«, sagte er im Hochkommen »Ist das die Mörderin?«
»Nein.«
Er schaute mich erstaunt an, warf einen Blick auf Enkbach, der ihm zunickte.
»Na ja«, sagte der Arzt, »das ist nicht meine Sache. Ich darf mich empfehlen?«
»Und was ist mit der Mordwaffe?« erkundigte sich Dr. Enkbach.
Ich schaute Suko an. Mein Freund verstand. Gemeinsam hoben wir die Schultern. »Wir haben nur das Mädchen gefunden.«
»Dann kann ich die Waffe noch suchen lassen.«
»Das können Sie.«
Dr. Enkbach verschwand. Ich hatte nicht einmal wegen dieser Notlüge ein schlechtes Gewissen, aber so waren die zahlreichen Polizisten beschäftigt.
»Ich bringe das Schwert zum Wagen«, sagte Suko, betrat eine leere Pferdebox und holte die Waffe hervor. Er hielt sie unter einer Decke versteckt.
»Okay, aber laß dich nicht erwischen.«
Der Chinese schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Ich kenne meine
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