Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
Vom Netzwerk:
funktioniert hat. Sportlich formuliert: Siege werden gefeiert, Niederlagen analysiert. Eben deshalb erweitert jeder Fehler, jedes Versagen unseren Erfahrungshorizont stärker als jeder Erfolg. Und das ist doch eindeutig eine Verbesserung. Gewiss: Nichts, auch keine noch so nachhaltige Erfahrung, macht uns zu vollkommenen Menschen. Aber Erfahrung bringt uns der Vollendung zumindest näher. „Wer immer strebend sich bemüht“, so ein großes Goethewort, „den können wir erlösen.“
    Die Gewissheit, es beim nächsten Mal besser machen zu können, ist bereits die halbe Miete. Das Gefühl, wenn ich es dann tatsächlich besser gemacht habe, wenn ich mein Ziel im zweiten Anlauf erreicht habe, ist einfach nur großartig. Menschen, denen scheinbar alles auf Anhieb gelingt, gewöhnen sich dagegen nur allzu leicht an den Genuss der hoch hängenden Früchte. Vor allem dann, wenn sie viele gute Helfer haben, die sie auf die Leiter schicken können. Wer dagegen nicht nur selbst pflücken musste, sondern dabei auch mal von der Leiter heruntergefallen ist, der beherrscht sein Handwerk aus Erfahrung. Und nicht nur aufgrund von Begnadung oder Glück. Er wird zudem die Belohnung niemals für eine ihm zustehende Selbstverständlichkeit halten.
    Natürlich kann ich immer sagen: „Das kann ich nicht, und das werde ich auch nicht mehr lernen.“ Sehr aufbauend ist diese Haltung allerdings nicht. Natürlich fühle ich mich sicherer, solange ich meine Komfortzone nicht verlassen muss. Je länger ich in ihr verharre, desto mehr steigt freilich auch das Risiko, mich irgendwann eingeengt zu fühlen. Um dann viel unbedachter aus dieser Enge auszubrechen, als wenn ich mit festem Willen und mit Überlegung etwas wage. Auch dann kann es natürlich misslingen. Aber ich bekomme zugleich Impulse für neue Ideen. Ideen, wie ich es besser machen kann. Ich frage mich dann zum Beispiel, ob ich mehr Wissen oder mehr Routine brauche. Ob meine finanziellen oder organisatorischen Mittel unzureichend waren. Oder ob ich die vorhandenen Mittel und Fähigkeiten einfach klüger und rationeller einsetzen muss.
    Aus der Zeit, in der ich als Springreiter aktiv war, weiß ich noch, dass nach jedem Fehler im Parcours lange Überlegungen und Ursachenforschungen folgten. Stets hätte es genügend Möglichkeiten gegeben, eine abgeworfene Stange aufs Pferd, auf die Gemeinheit des Parcoursbauers oder auf den matschigen Untergrund zu schieben. Stattdessen habe ich lieber gefragt, was ich verkehrt gemacht habe, dass das Pferd mit dem Bein die Stange berührt hat. Ob ich den Sprung falsch angeritten habe oder eine Wendung zu eng genommen habe. Um am Ende die Gewissheit zu haben, dass ich beim nächsten Mal zumindest diesen Fehler nicht noch einmal machen würde. Das steigerte mein Selbstbewusstsein – jetzt wusste ich, wie es geht, jetzt konnte ich es! Und es steigerte übrigens auch mein Verlangen nach der nächsten Chance, die gelernte Lektion zu erproben. Sicher, auch beim zweiten oder dritten Durchgang kann es passieren, dass eine Stange fällt oder das Pferd verweigert. Sieger wird in der Regel nur einer der vielen Teilnehmer. Aber die Wahrscheinlichkeit, ja die Sicherheit, dass ich auch die größten Schwierigkeiten irgendwann bewältigen werde, steigt gleichwohl.
    Ein anderes Beispiel: Ich spiele sehr gerne Oboe und Englischhorn, auch aktiv im Orchester. Gleichwohl bin ich als Musiker bestenfalls ein ambitionierter Laie. Was natürlich auchheißt, dass ich mich viel öfter verspiele als ein Profimusiker an der gleichen Stelle eines anspruchsvolleren Stückes. Und obwohl Übung auf diesem Felde wohl keinen echten Meister mehr aus mir machen wird, lerne ich auch hier beständig aus meinen Fehlern und den wohlmeinenden Ratschlägen derer, die mehr verstehen als ich. Ebenso wie aus den Fehlern und Erfahrungen anderer Musiker. Das Schöne ist nämlich: Wer in einem Orchester spielt, der hat gerade bei häufiger aufgeführten, bekannten Meisterwerken selten druckfrische Noten auf dem Pult liegen. Denn diese gehören oft dem Orchester, nicht dem Musiker. Vor mir haben vielleicht schon Dutzende von Oboisten unter verschiedenen Dirigenten dasselbe Werk von diesem Blatt gespielt. Dabei werden häufig handschriftliche Eintragungen im Notentext gemacht. Von solchen Noten zu spielen, liebe ich. Lauter wohlmeinende Ideen und Hinweise, wie es besser geht und Fehler vermieden werden können! Lauter Anregungen, wie es nach Meinung anderer Musiker klingen sollte, nach Meinung von

Weitere Kostenlose Bücher