Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
erfreulich wie kaum vermeidbar.
Natürlich macht es Freude, auf Erreichtes zurückblicken zu können, auf das, was ich bereits geschafft habe. Aber nicht zuletzt deswegen werde ich im Verlauf jedes Projektes immer sensibler und vorsichtiger, damit die Sache nicht am Ende noch schiefgeht. Am Anfang steht die Freude an den Möglichkeiten, am Ende die Freude am Erreichten. Und ich gestehe: die erstere ist bei mir größer als die zweite.
Als Künstler, da muss ich freilich alles selbst machen. Wobei auch hier die Energie und der Enthusiasmus anfangs am größten sind. Eine meiner Grundregeln beim Malen lautet: Mutig anfangen, vorsichtig aufhören. Und folglich beim Arbeiten immer langsamer zu werden. Denn in dem Moment, in dem ich ein Bild beginne, fallen alle bedeutsamen Grundentscheidungen. Danach kann ich diese eigentlich nur noch ausführen. Oder, was weit schlimmer ist, auch hier anfangen Fehler zu machen. Fehler, die ich beim Malen durch Wegmachen, nicht durch Hinzutun korrigieren kann. Beides, die Ausführung der Idee wie das Vermeiden von Fehlern, kann mir hier zwar niemand abnehmen. Aber auch hier ist der Zauber des Anfangs für mich im Grunde größer als die Freude des Gelingens.
Dann sind da noch die Routinearbeiten des Malers: etwa Farben mischen, Leinwände grundieren, Pinsel reinigen, das Atelier aufräumen (was ich am wenigsten mache, da ich immer eine Idee habe, wo ich die gesuchten Sachen finde). Auch das mache ich natürlich selbst. Aber das ist eher wie Holzhacken. Ich verrichte solche Pflichten, wenn ich abends zu müde oder geistig zu ausgelaugt bin, um an meinen aktuellen Bildern zu arbeiten. Weil ich mich dabei wenig bis gar nicht konzentrieren muss, kann ich zugleich noch einmal den Tag Revue passieren lassen – oder einfach nur den Kopf frei bekommen.
Mut, Zaudern, Angst – und der Wert des Scheiterns
Zu den Lebensweisheiten eines Unternehmers aus dem Rheinland, den ich seit langem kenne, gehört der schöne Satz: „Jede Jeck is’ aners!“ Zu Hochdeutsch: Jeder Narr ist anders. Worin untergründig sicher mitschwingt: Jeder Mensch ist auf seine Weise ein Narr. Zugleich bedeutet es aber natürlich auch, dass jeder Mensch Eigenarten und Gewohnheiten hat, die er nur bedingt ändern, auf die er manchmal sogar überhaupt keinen Einfluss hat. Und die auch Dritte ihm nicht austreiben werden.
So wird aus einem Frühaufsteher kaum eine enthusiastische Nachteule zu machen sein; der umgekehrte Versuch wird sogar noch schneller scheitern. Wer von Geburt an mehr zur Leibesfülle und weniger zur Muskelbildung neigt, sollte sich vielleicht nicht gerade auf dem Felde des Kraftsports ambitionierte Ziele setzen. Und obwohl sicher weniger genetisch und weit stärker durch Erziehung und individuelle Erfahrung bedingt, dürfte es mit Eigenschaften wie Kreativität, Risikobereitschaft und dem Willen, beständig Neues anzufangen, kaum anders bestellt sein.
Bis heute bin ich neugierig geblieben – auf neue Dinge, auf mir bislang noch fremde Menschen, ihre Ideen und Erfahrungen, auf neue eigene Erfahrungen und Eindrücke. Auch im achten Lebensjahrzehnt möchte ich immer noch dazulernen. Und ich packe immer noch gerne neue Dinge an. Sei es nun in der Firma, sei es in Kunst und Kunstpädagogik, sei es im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten als Honorarkonsul von Georgien, sei es im ganz persönlichen Umfeld. Und das ist keine literarische Selbststilisierung.
Würden Sie mich fragen, was ich denn noch erreichen wolle, ich könne doch auf ein recht erfolgreiches und erfülltes Leben zurückblicken, so wäre meine Antwort, dass ich das zwar ähnlich bewerten, aber kaum als Grund dafür hernehmen könne, nunmehr die Hände in den Schoß zu legen. Im Übrigen verstehe ich zu wenig von Orchideenzucht. Schafkopf beherrscht zwar jeder Bayer zumindest leidlich; aber für eine abendfüllende Beschäftigung reicht es bei mir auch da nicht. Solange meine geistigenund körperlichen Kräfte hinreichen, muss ich daher die Dinge auf den Weg bringen, von denen ich glaube, dass sie getan werden müssen. Das ist meine Natur.
Aber ich gebe zu, dass andere Menschen da anders sind. Und mit „anders“ verbinde ich keine Wertung. Neugierige Menschen sind nicht automatisch bessere Menschen. Und Risikoscheu ist kein Laster. Viele Leute, die ich kenne, tun – im Gegensatz zu mir – sehr gerne immer das Gleiche. So habe ich es oft erlebt, dass bewährten Mitarbeitern angeboten wurde, von einer seit langem erfolgreich
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