Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
aufgehen muss. Höchstens wenn es um private oder um künstlerische Ideen geht, kann einer auch einmaletwas wagen, von dem er nicht weiß, ob sich der Aufwand am Ende lohnen wird. Denn da sind die aufs Spiel gesetzten Ressourcen doch meist übersichtlicher. Und es lässt sich auch gar nicht immer alles in Euro und Cent ausdrücken. Das im Wortsinne Unberechenbare wirkt hier stärker.
Ideen, die überhaupt kein vorteilhaftes Nutzenversprechen für irgendwen, und sei es nur für mich selbst, beinhalten, werden dagegen so gut wie nie verwirklicht. Das ist in der Familie, bei der Ausbildung und Berufswahl der Kinder oder in einem Unternehmen nicht anders als bei der Lösung gesellschaftlicher Konflikte.
Der Zauber des Anfangs
Wenn ich ein klares Bild von der Verwirklichung meiner Idee gezeichnet habe, und nichts anderes meint wie gesagt das Wort „Vision“, dann habe ich zugleich einen Plan und eine zeitliche Dimension der zur Umsetzung nötigen Schritte vorgezeichnet. Nur so kann Schritt für Schritt an der Umsetzung der Idee gearbeitet werden, bis sie tatsächlich verwirklicht ist.
Ist dieses Ziel schließlich erreicht, dann ist das natürlich ein Moment großer Freude. Am einfachsten lässt sich das vielleicht anhand des Beispiels einer künstlerischen oder literarischen Arbeit nachvollziehen. Für mich ist ein Bild, in dem Fall also die Verwirklichung einer künstlerischen Idee – einer Formidee, einer farbgestalterischen Idee, manchmal auch einer thematischen Idee – in dem Moment fertig, in dem ich weiß, dass jeder weitere Pinselstrich die Sache nicht mehr besser, sondern nur noch schlechter machen würde. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich das Bild signiere – und mich daran erfreue. Aber ich fasse es nicht mehr an.
Auch ein Buchmanuskript wie das hier gedruckte ist irgendwann „fertig“. Ich habe in dem Moment nichts Wesentliches mehr zu sagen. Natürlich könnte ich endlos an einzelnen Formulierungen herumpolieren. Aber dagegen steht, wenn schonnicht die Einsicht in die Fruchtlosigkeit solch endlosen Umtextens, wenigstens der Abgabetermin beim Verlag. Liegt das Manuskript also erst bei der zuständigen Lektorin, dann will ich es auch „loslassen“ und mich auf letzte formale Korrekturen beschränken. Halte ich schließlich das gedruckte und gebundene Exemplar in Händen, darf ich mich auch daran erfreuen. Nicht anders, wenn ich den Erfolg einer unternehmerischen Idee oder eines praktischen Vorschlags erlebe. Schon zu sehen, dass eine Sache auf einem guten Weg zum – hoffentlich – guten Ende ist, ist Teil dieser Freude am Gelingen.
Bei mir persönlich mischt sich allerdings ein zweites Gefühl darunter: Ich gestehe, dass es für mich beginnt langweilig zu werden, wenn der Prozess der praktischen Umsetzung einer Idee angestoßen ist. Es gibt dann quasi nichts wirklich Spannendes mehr zu tun. Es ist für mich immer schön, etwas anzufangen und auf den Weg zu bringen. Und ich bin auch solange mit Freude bei der Sache, wie ich bei einem Projekt gefordert und gebraucht werde. Aber die von mir schon erwähnten Mühen der Ebene, so notwenig sie sind, liegen mir selbst eher weniger. Gerade wenn es um unternehmerische Ideen geht, finde ich es vorteilhaft, dass es in unserer Firma andere, für die entsprechenden Arbeiten meist auch viel besser qualifizierte Leute als mich gibt. Menschen, die eine Idee selbstständig weiterverfolgen und vollenden. Ich freue mich stattdessen lieber auf neue Ideen und suche die nächste Herausforderung. Auch die Umsetzung meiner Idee durch andere freut mich mehr als das Lob für die Urheberschaft einer am Ende nicht umgesetzten Idee.
Warum ist das so? Bin ich da bequem? Oder halte ich mich gar für zu fein für die Arbeit an Details? Keineswegs. Die Freiheit des Schaffens ist zu Beginn einfach am größten. Später nimmt sie beständig ab. Anfangs kann ich mich noch auf Experimente einlassen, auf die ich später verzichten muss. Das ist bei allen Entscheidungen im Leben so. Gehe ich einen Schritt in eine neue Richtung, dann steht mir zunächst die ganze Welt offen. Je näher ich aber dem einmal gesteckten Ziel komme, umso weniger Möglichkeiten habe ich. Und jede Entscheidung,die ich im Verlauf einer Arbeit, eines Projektes, ja meines ganzen Lebens treffe, ist nicht nur eine Entscheidung für etwas, sondern eben auch eine Entscheidung gegen viele weitere Optionen. Folge: Die Zahl der Neins übersteigt ziemlich bald und sehr spürbar die Zahl der Jas. Und das ist ebenso wenig
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