Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Musikern, die oft erfahrener oder besser sind als ich.
Ein anderes wichtiges Führungsprinzip ist mir aus dem Orchester vertraut: Neben dem Dirigenten gibt es in jeder Instrumentengruppe sogenannte Stimmführer. Die kümmern sich um die ganze Gruppe, halten sie zusammen und stehen auch in der Verantwortung. Ohne hierarchische Ordnung lässt sich kein Orchester führen, keine Mannschaft im Sport. Auch im Unternehmen ist diese Idee der Führung wichtig. Da gibt es oft Stimmen, die die absolute Gleichberechtigung fordern und hierarchische Ordnungen komplett ablehnen. Für mich ist es schön, die zweite Oboe zu spielen und einen ersten Oboisten zu haben, an dem ich mich orientieren kann. Da geht es mal ganz anders zu als im Unternehmen.
Wer Fehler macht, wer Fehler sogar zulässt, der entwickelt im Lauf der Zeit die Fähigkeit, mögliche Fehler vorauszusehen und deren Auftreten dadurch schon im Ansatz zu vermeiden. Denn nur wer schon Fehler gemacht hat, entwickelt auch eine Vorstellung davon, wie er die mit einer Idee verbundenenSchwierigkeiten meistern könnte. Anschließend nicht mehr in eine drohende Falle zu tappen, das ist ein erhebendes Gefühl. Wer dagegen zuviel Angst vor Fehlern hat, der wird im Zweifelsfall untätig bleiben. Um meine Ideen verwirklichen zu können, muss ich eine gewisse Zähigkeit und Tatkraft mitbringen. Aber erst die Freiheit, auch einmal scheitern zu können, schafft den dafür nötigen Rahmen.
Gerade in Deutschland tendieren wir leider zum Pathos des Misslingens. Schon bevor eine Sache überhaupt angepackt wird, finden sich Menschen zuhauf, Experten wie völlige Laien, die uns klar und schlüssig beweisen, dass das niemals funktionieren wird. Dass ähnliche Versuche schließlich schon oft genug gescheitert seien. Und dass das Ganze diesmal noch gründlicher in die Hose gehen wird als alle Male zuvor. Weil wir es schließlich mit noch weit widrigeren Umständen und noch viel unfähigeren Leuten zu tun hätten. Weil unsere Mittel notorisch knapper sind, die übrige Welt dagegen immer reicher, immer schneller, immer besser und immer mächtiger geworden sei. Wird das Produkt dann tatsächlich ein Reinfall, wirft auch der Nächste nach einer gewissen Zeit hin, führt das verabschiedete Gesetz tatsächlich nicht zu den erhofften Wirkungen, dann haben es natürlich auch all jene, die zuvor noch nicht geunkt hatten, schon immer gewusst.
Ebenso schnell sind wir häufig mit Menschen fertig, denen einmal etwas danebengeht: Der kann es einfach nicht! Der „hat es nicht drauf“! Dem ging es doch eh bloß ums Geld! Und im gleichen Aufwasch machen wir die großen Schubladen auf: „Die“ (je nach persönlichen Vorurteilen: Ossis / Wessis, Hartz-IV-Empfänger / Großverdiener, „Neoliberalen“ / „Sozialromantiker“, Ausländer / Deutschen) sind doch alle gleich! Was will man von Politikern schon erwarten – machtlüstern, aber von nichts eine Ahnung. Und so weiter. Nur mit sich selbst sind die meisten etwas nachsichtiger.
Das Problem ist im Kern immer das gleiche: Wir haben ein viel zu schwarzes Bild vom Scheitern. Wer es beim ersten Mal nicht schafft, so denken viele, der wird es nie schaffen. Und waseinmal nicht klappt, das klappt nie. Mit der Folge, dass wir auch keine Kultur der zweiten Chance haben. Ganz anders als etwa in Amerika, wo es etwas vergleichsweise Normales ist, das jemand schwere Fehler macht, manchmal sogar völlig aus der Bahn geworfen wird – und gleichwohl an anderer Stelle beweisen darf, dass er es besser kann.
Ich bin der unbedingten Meinung, dass wir hier etwas ändern müssen. Ob im privaten Umfeld, in Schulen und Hochschulen, im Berufsleben und in der Wirtschaft insgesamt: Überall muss die zweite, notfalls auch die dritte Chance nach einem Scheitern von der Ausnahme zur Regel werden. Denn es gibt nur sehr, sehr wenige echte „Versager“. Viel häufiger setzen wir in Menschen einfach falsche Erwartungen, erkennen und fördern ihre eigentlichen Talente nicht – oder scheren sie schlicht alle über denselben Kamm. Wenn wir damit aufhören, werden wir uns schon sehr bald wundern, was in all jenen steckt, denen wir einen neuen Anlauf nicht zutrauen, ja oft sogar aktiv verweigern.
Das beantwortet übrigens auch einen Einwand, den ich an diesem Punkt gelegentlich höre: Ich hätte ein etwas zu pastellfarbenes Bild vom Scheitern. Schließlich gebe es Fälle, wo Menschen wirklich existenziell scheitern und nie wieder auf die Beine kämen. In denen sie keine
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