Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Furcht, das ist eben Übermut. Ich überschätze dann meine subjektiven Möglichkeiten und unterschätze die objektiven Gefahren. Ein vernünftiges Maß an Furcht hilft mir, es umgekehrt zu halten: die eigenen Möglichkeiten eher etwas skeptischer zu bewerten, die Risiken dagegen lieber für etwas größer zu halten als sie vielleicht sind. Anders gesagt: sich notfalls auch für den erwartbar schlimmsten Fall zu rüsten. Aber eben nicht für jeden denkbar schlimmsten Fall, und das auch noch gepaart mit totalem Misstrauen betreffs meiner eigenen Möglichkeiten. Das ist der Weg der Angst: Du hast keine Chance – also komm nicht mal auf die Idee sie zu nutzen.
Wenn ich Angst habe, am Berg abzustürzen, dann ist das ein anderes Gefühl, als wenn ich einen Fehltritt fürchte. Habe ich Furcht, werde ich weiter vorwärts schreiten, aber dabei furchtbar aufpassen. Habe ich Angst, dann lasse ich es bleiben. Ich gehe dann gar nicht erst los.
Man kann sich den Unterschied zwischen Angst und Furcht auch anhand folgender Beispiele verdeutlichen: Ich habe Angst vor freilaufenden Kampfhunden. Denn gegen einen großen, bissigen, auf Angriff gedrillten und nicht angeleinten Hund kann ich im Zweifelsfall wenig ausrichten. So ein Hund wird immer stärker und schneller sein als ich. Und ob er auf mich losgeht oder nicht, hat mit meinem Verhalten letztlich auch wenig zu tun. Im Übrigen ist es eine nicht zu bestreitende Tatsache, dass es solche Hunde gibt.
Dagegen habe ich keine Angst vor Gespenstern. Schon einem einigermaßen objektiven, vernünftigen Menschen sollte klar sein, dass es keine Gespenster gibt, dass die Angst vor ihnen daher eine irrationale ist. In die man sich leider gleichwohl prächtig hineinsteigern kann.
Auf der anderen Seite fürchte ich Gott. Denn ich bin gewiss, dass er mich zumindest für alle nicht lässlichen Sünden früher oder später zur Rechenschaft ziehen wird. Dass ich verlassen sein werde, wenn ich mein Gottvertrauen verliere. Genauso wie ich weiß, dass ich mich auf Gottes Hilfe stützen kann, wenn ich seinen Geboten folge und ganz auf ihn vertraue. Anders als beim bissigen Hund ist mein Verhältnis zu Gott also eines, bei dem ich eine aktive Rolle spiele. Deshalb kann ich Gottes Allmacht sehr wohl fürchten. Aber ich muss niemals Angst vor Gott haben. Seine Ratschlüsse mögen bisweilen unergründlich sein – launisch sind sie nie. Weshalb es im Deutschen ja auch den Begriff der Gottesfurcht gibt, nicht aber den der „Gottesangst“.
Auch im Geschäftsleben kann ich Angst haben, mir etwas nicht zutrauen und denken: Das wird vermutlich schiefgehen. Auch hier muss ich mich aber beständig fragen, ob ich mich da vor Kampfhunden oder vor Gespenstern ängstige. Ein schlecht durchdachtes Produkt, ein völlig übersättigter Markt oder extremschwankende Energiekosten sind tendenziell Kampfhunde. Der drohende Weltuntergang, eine Hyperinflation, die ewige „Billigkonkurrenz aus dem Osten“, das sind eher Gespenster. Der Unterschied zwischen beiden ähnelt dem zwischen angemessener Vorsicht und übertriebener Schwarzmalerei.
Etwas, vor dem ich persönlich Angst habe, sind Menschen, die grundsätzlich ganz anders denken und handeln als ich. Die unberechenbar sind und bei der Verfolgung ihrer Interessen keine Hemmungen kennen. Ohnehin Angst macht mir das Böse. Es ist nun einmal in der Welt, und wir müssen mit seiner Existenz leben. Das Einzige, was uns bleibt, ist es möglichst rechtzeitig zu erkennen.
Vor allem habe ich aber dann Angst, wenn ich in einer Situation selbst nicht handeln kann oder darf. Wenn ich mich ausgeliefert fühle. Wenn meine Möglichkeiten ausgeschöpft scheinen, ich keine Mittel und Wege mehr sehe, ein Problem zu bewältigen. Es ist dann wie im Fall des bissigen Hundes: Ich habe Angst, weil ich schlechterdings nichts machen kann.
In solchen Situationen bleibt für mich persönlich nur noch das Vertrauen in Gott, das Bewusstsein, dass er es gut mit mir meint. Das gibt mir Kraft und Mut. Wer Gottvertrauen hat, ist immer in einer stärkeren Position als der, der es nicht hat. Darüber habe ich im ersten Kapitel bereits gesprochen.
Gottvertrauen und Gottesfurcht sind wie eineiige Zwillinge. Die eine ist das Spiegelbild des anderen. Mein Gottvertrauen trägt mich in der Finsternis. Und meine Gottesfurcht verhindert, dass ich im Hellen übermütig, gar rücksichtslos werde. Denn aus Gottesfurcht höre ich auf mein Gewissen. Es leitet mich dabei, keine Wege zu beschreiten, vor
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